Die Meisterin der schwarzen Kunst
Stube reiten und dabei Harfe spielen würde. Ich könnte auch niemals eine solche Arbeit verrichten wie du, selbst wenn Carolus es mir erlaubte. Dafür fehlt mir einfach der Mut.»
«Ihr sagtet eben, wir bräuchten nicht mehr auf den Kurier aus Flandern zu warten. Ist das nur eine Ahnung von Euch, weil sich Meister Carolus um den Mann Sorgen macht, oder habt Ihr …»
«Nenn es, wie du willst», fiel ihr Lene ins Wort. «Ich habe keine Ahnung, was mit ihm geschehen ist, aber ich vermute, dass es mit dem Ort zusammenhängt, an den Carolus ihn geschickt hat.»
Henrika ließ die Hand der Frau los. «Ihr meint Flandern?»
«Ich spreche von dem Land, in dem der Festungsbaumeister geboren wurde. Carolus hätte niemals einen Kurier dorthin senden sollen. Jedenfalls nicht solange, wie du unter seinem Dach arbeitest.»
Henrika blickte sie überrascht an. Was hatten ihr Schicksal und Barthels Ermordung damit zu tun, dass Carolus Nachrichten aus Antwerpen kaufen wollte? Lenes Worte ergaben nicht den geringsten Sinn für sie. Doch dann fiel ihr der Flame wieder ein.
«Was wisst Ihr über Quinten Marx van Oudenaarde, Meisterin? Barthel hat ihm Briefe geschrieben und zwar, nachdem Meister Carolus ihn in Mannheim aufsuchte, um ihn wegen der Gazette um Hilfe zu bitten. Allerdings konnte er die Briefe nicht mehr abschicken.»
Lene Carolus war überrascht. «Marx van Oudenaarde? Ich erinnere mich an einen Mann, der so hieß. Barthel erwähnte ihn einmal. Aber das ist schon viele Jahre her.»
«Der Flame war in Straßburg. Ich wollte mit ihm reden, bevor wir zur Messe nach Frankfurt reisten, wurde aber abgewiesen. Ein Wunder, dass ihn mein Brief erreichte.»
«Du hast ihm geschrieben?», rief die Meisterin scharf. Plötzlich wirkte sie gar nicht mehr zerbrechlich. «Das war ein Fehler, ganz bestimmt sogar. Du weißt ja gar nicht, wie gefährlich diese Leute sind.»
Henrika schüttelte verständnislos den Kopf. «Welche Leute meint Ihr? Den Flamen etwa?»
«Vergiss den Flamen, er wird dir nicht helfen können, wenn du Dinge ausgräbst, die nur Unheil bringen. Barthel Janson ist schon tot, und meine Barbara wäre beinahe gestorben. Die Nächste, die dran glauben muss, könntest du sein. Ich rede von diesen schrecklichen Frauen und von der spanischen Inquisition, deretwegen Barthel damals aus seiner Heimat fliehen musste.»
«Ihr sprecht in Rätseln», brach es aus Henrika heraus. «Genau wie Barthel, der mich stets mit vagen Andeutungen hinzuhalten versuchte. Bei ihm fühlte ich mich wie ein alter Hofhund, dem man einen Knochen vor die Hütte wirft, doch Ihr behandelt mich nicht anders. Ich bin kein Kind mehr, das geschont werden muss.» Sie holte tief Luft, dann fügte sie hinzu: «Laurenz hat es sich in den Kopf gesetzt, mich zu heiraten. Er glaubt, ich könne ihm zu dem Wohlstand verhelfen, auf den er seiner Meinung nach ein Anrecht hat. Wusstet Ihr, dass er mich unter Druck setzt?»
«Aber womit denn?» Lene sah erschrocken aus. «Hat er herausgefunden, dass du …»
Henrika schüttelte den Kopf. «O nein, er ist längst nicht so feinsinnig, wie Ihr denkt. Es ist wahr, dass ich seit meiner Kindheit eine gewisse Fähigkeit mit mir herumtrage, und bevor Ihr mich fragt: Jawohl, ich habe Barbara mit ihrer Hilfe zurückgeholt. Das konnte ich jedoch nur, weil ich noch einen Hauch Leben in ihr spürte. In die Zukunft sehen kann ich nicht. Ich benutze weder Amulette noch Fluchbücher und koche auch keine Salben aus dem Hirn totgeborener Kinder. Was ich bin, habe ich mir nicht ausgesucht. Ich weiß nicht einmal, ob ich diese Gabe bereits von Geburt an habe oder erst später bekam. Ich habe auch keine Ahnung, ob meine Mutter eine ähnliche Fähigkeit besaß und deshalb mit einem eingebrannten Schandmal auf der Schulter endete.»
Die Meisterin blickte besorgt drein. «Dann erpresst dich Laurenz mit dem Wissen um das Schicksal deiner Mutter?»
«Laurenz hat herausgefunden, warum ich wirklich aus Mannheim fortlief. Ich fand Barthels Leiche und wurde von seiner Nichte beschuldigt, ihn im Streit erschlagen zu haben. Dabei war vermutlich sie es, die ihn ermorden ließ. Sie beauftragte einen üblen Schurken, der in meinem Heimatort kein großes Ansehen genoss.»
«Dann wird man seinen Lügen bestimmt nicht glauben», sagte Lene.
Henrika seufzte. «Das ist auch nicht mehr möglich, denn er ist ebenfalls tot. Leider war mein Ruf als Tochter einer Gebrandmarkten im Dorf nicht viel besser als seiner, während Barthels Nichte von
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