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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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weit er sehen konnte. Es war ein schöner Tag. Der Himmel war blau und von weißen Wolkenknäueln durchzogen. Bienen summten um ihn herum, wichen jedoch jedes Mal geschickt aus, wenn er nach ihnen schlug. Von Zeit zu Zeit lockte das Rattern eines Wagens oder das Schnauben eines Pferdes Laurenz an den Rand der Böschung. Weinfässer wurden Richtung Stadt transportiert. Bäuerinnen schleppten im Schweiße ihres Angesichts Körbe mit Grünzeug die Straße entlang.
    Doch derjenige, auf den Laurenz hier oben wartete, ließ sich nicht blicken.
    Der Drucker setzte sich wieder auf den Stein. Wieder und wieder spielte er den Plan in Gedanken durch, kam jedoch jedes Mal zu demselben Schluss: Was er hier tat, war nichts als reiner Wahnsinn.
    Er war ein Narr, der seinen Hals freiwillig in eine Schlinge steckte und auch noch erlaubte, dass eine Frau, die er kaum kannte, sie mit ihren sanften Händen zuzog. Er lehnte sich zurück und zog die Schnur aus Rosshaar, die er eigenhändig geflochten hatte, aus seiner Jacke. Vorsichtig spannte er sie, dann band er sie blitzschnell zu einer Schlinge. Das hatte er seit jener Nacht, in der er Anna wiedergesehen hatte, so oft geübt, bis seine Finger ihm keinen Widerstand mehr geleistet hatten. Nun kam es nur noch darauf an, dass er keinen Argwohn erregte und sich überwand, alles zu tun, was nötig war, um an das Vermögen zu kommen, das Anna ihm versprochen hatte. O ja, er würde es bekommen. Und er würde Anna bekommen.
    Seufzend versuchte er, sich an ihr Lächeln zu erinnern. Für sie schien alles so einfach, aber in diesem Augenblick war sie meilenweit entfernt von ihm. Wollte er jedoch sein Ziel erreichen, dann durfte er nicht schwach werden. Sie hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie schwache Männer verabscheute. Schwächlinge brachten es in dieser Welt zu nichts. Sein Vater war gestorben, weil er schwach gewesen war. Er hatte dem Räuber, der sich über seinen Wagen hergemacht hatte, nichts entgegensetzen können. Also war er erschlagen worden. Seinen Söhnen, die es verdient hätten, im wohlhabenden Haus eines Kaufmanns und Ratsherrn groß zu werden, war nichts übrig geblieben, als beim einzigen Freund des Vaters in die Lehre zu gehen. Nun aber war Laurenz Meister geworden. Die Zeit, in der ihn jeder ungestraft herumgestoßen hatte, war damit zu Ende. Er spuckte zu Boden.
    Die Zeit kroch dahin. Laurenz beobachtete, wie die Schatten größer wurden, das Gesumm der Mücken sich allmählich in der Stille auflöste. Der Himmel verlor seinen heiteren Ausdruck und wechselte seine Farbe. Undeutlich konnte Laurenz die ersten Sterne am Firmament erkennen.
    Der Kerl kam nicht. Laurenz fluchte leise vor sich hin, spürte tief in seinem Inneren jedoch auch Erleichterung und wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es als eine Form von Schwäche verabscheuen sollte. Während er noch darüber nachsann, versank die Sonne mit einem majestätischen Farbenspiel hinter den Wipfeln der Bäume.
    Nun wurde es Zeit zu handeln. Wenn der Mann nicht innerhalb der nächsten Stunde durch das Tal ritt, hatte es keinen Sinn, länger auf ihn zu warten. Laurenz vermutete, dass er ein Gasthaus aufgesucht hatte und seine Reise erst am nächsten Tag fortsetzte. So lange konnte Laurenz nicht warten. Vermutlich würde es ihm gelingen, Carolus eine Geschichte aufzutischen, die sein Ausbleiben erklärte. David jedoch würde ihm kein Wort glauben. Die Relation wurde voraussichtlich noch heute Nacht gedruckt, und dabei war seine Anwesenheit vonnöten.
    Laurenz griff nach seiner Satteltasche, in der neben einer Decke, einem Messer und einer Zunderbüchse auch eine Flasche mit Wasser steckte. Gierig zog er den Korken heraus und nahm einen großen Schluck. Dann lehnte er sich gegen eine mächtige Eiche und sah hügelabwärts auf das Waldstück, in dem er sein Pferd zurückgelassen hatte. Plötzlich bemerkte er am Horizont einen Punkt, der sich zügig vorwärtsbewegte. Laurenz stutzte. Es musste ein Reiter sein. Ja, es war definitiv ein Reiter, der sein Tier zur Eile antrieb. War das Schicksal ihm etwa doch gewogen? Hatte sich die Warterei am Ende doch noch gelohnt?
    Laurenz’ Herz begann wild zu klopfen. Er verließ seinen Beobachtungsposten und sprang so rasch er konnte den schmalen Pfad hinab. Er musste sich beeilen. Er rannte durch das kleine Waldstück, ohne sich nach seinem Pferd umzublicken, und erreichte die Straße atemlos, aber noch zeitig genug, um seine Vermutung bestätigt zu finden. Trotz des

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