Die Meisterin der schwarzen Kunst
und Gerichtsprotokollen der Stadt bis heute nichts über Euch zu finden ist, Jungfer.» Er nahm sich das letzte Stück Rosinenbrot vom Teller, doch er aß es nicht. Stattdessen warf er es seinem Jagdhund vor, der sich schwanzwedelnd daraufstürzte. «Eure Vergangenheit scheint leer zu sein wie dieser Teller.»
«Ich suche Euch auf, um Euch um Hilfe zu bitten», sagte Henrika. «Aber warum ich sie brauche, ist nicht ganz einfach zu erklären. Es ist eine komplizierte Geschichte.»
«Komplizierte Geschichten serviert mir mein Diener bereits zum Frühstück. Ich kaue sie dann gut durch, ehe ich sie schlucke. Also scheut Euch nicht davor, mir Eure zu erzählen.»
Henrika zögerte einen Augenblick, dann gab sie sich einen Ruck und berichtete dem Ratsherrn von Barthel und Anna, warum sie nach Straßburg gekommen war und fürchte, Laurenz könne sein Wissen um ihre Herkunft benutzen, um der Relation Schaden zuzufügen.
Nachdem sie mit ihrer Erzählung zu Ende gekommen war, faltete der Ratsherr die Hände und blickte sie an. Er schien nachzudenken, und dabei wollte Henrika ihn nicht stören. Dennoch brannte sie darauf zu wissen, was er nun zu tun gedachte.
«Manche Geschichten sind selbst zum Frühstück schwer zu verdauen», sagte Zorn schließlich. «Ihr glaubt demnach, Opfer einer infamen Intrige geworden zu sein? Einer Intrige, an der selbst zu dieser Stunde noch immer gesponnen wird?»
«Ich hatte Angst davor, mich Meister Carolus anzuvertrauen, aber seine Frau kennt meine Geschichte.»
«Lene?» Zorn hob erstaunt die Augenbrauen. «Warum ausgerechnet die?»
«Es hat sich so ergeben, Ratsherr. Sie hat mir empfohlen, Euch aufzusuchen, denn sie ist der Meinung, dass Ihr immer zum Wohl der Stadt handelt.»
Der Ratsherr blickte verdutzt drein, dann lachte er belustigt. «Ich wusste nicht, dass mir dieser Ruf anhängt. Aber es ist wahr. Ich sehe meine Aufgabe als Ratsherr von Straßburg nicht darin, mir die Taschen zu füllen und Kapital aus meinem Amt zu schlagen wie die anderen. Fragt David, den Gesellen Eures Meisters. Vermutlich hat er Euch nie verraten, woher das Geld für Eure Kurierreiter und die Verbindungsleute in den fünf Städten stammt.»
Henrika hielt dem Blick des Mannes stand. «Da irrt Ihr Euch, Ratsherr. Ich weiß davon, seit ich in der Stadt bin. Offiziell hat mein ehemaliger Dienstherr, der Festungsbaumeister Barthel Janson, Geld für die Kurierreiter zur Verfügung gestellt.»
«Interessant. Und das hat Euer Meister geschluckt?»
«Ich vermute, er wollte einfach daran glauben. Inzwischen scheint er aber dahintergekommen zu sein, aus wessen Börse das Geld in Wahrheit stammt. Er hat kein Wort darüber verloren, aber es ist doch verwunderlich, dass er seine Meinung über Euch geändert hat. Vor gar nicht langer Zeit wäre ihm nichts unangenehmer gewesen, als mit der Familie Zorn Geschäfte zu machen.»
«Glaubt Ihr, ich würde einem anderen Zorn freimütig mein Haus öffnen?», knurrte der Ratsherr. «Vielleicht gar meinem Verwandten Waldemar, der nun beschlossen hat, fremde Zeitungsdrucker zu finanzieren, um mich zu ärgern. Der Narr hat keine Ahnung, wie sehr er Straßburg damit schadet. Er und seine Anhänger denken nur an das Gestern, niemals an das Heute. Sie kleben an der Vergangenheit wie Fliegen an einem Topf mit süßem Mus. Dabei brauchen wir Druckschriften wie die Eures Meisters Carolus, um Verbohrtheit und Aberglauben endlich aus den Köpfen der Bürger zu vertreiben. Darf ich fragen, warum Ihr lächelt?»
«Als ich zum ersten Mal von der Relation hörte, habe ich ganz ähnlich gedacht», sagte Henrika. «Je mehr die Menschen von dem wissen, was um sie herum geschieht, desto freier müsste ihr Denken werden und ihre Geduld gegenüber allem, was sie noch nicht begreifen.»
«In welche Richtung wir denken, kommt aber ganz auf den an, der bestimmen darf, was wir lesen», sagte Zorn etwas gönnerhaft. «Überließe man es der Kirche, die Nachrichten auszuwählen, würde das Blut der Heiden und Ketzer bald in Strömen fließen. Die Fürsten würden ihre Landesnachbarn verleumden, und wir Kaufleute … Ach, lassen wir das. Ein paar Leichen hat jeder von uns im Keller. Die Stimme der Relation sollte jedenfalls von keinem weltlichen oder geistlichen Herren erstickt werden. Ich betrachte jeden, der in diesen Tagen der Relation Schaden zufügt, als eine Gefahr für Straßburg, die beseitigt werden muss. Ich hoffe, Ihr habt mich verstanden?»
Henrika schluckte, denn der leidenschaftliche
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