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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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hatte sie einige Pechfackeln gesehen, welche die Dienerschaft anscheinend Tag und Nacht brennen ließ. In ihrem Gefängnis war es jedoch so dunkel wie in einer Grabkammer.
    «Warum tut Ihr das?», schrie sie, da sie vermutete, dass Zorn noch immer vor der Tür stand und lauschte. Sie hatte seine Schritte jedenfalls nicht auf der Treppe gehört.
    «Nun, ich finde es sicherer, Euch eine Weile in Gewahrsam zu nehmen, wenigstens so lange, bis ich Auskünfte in Mannheim eingeholt habe. Wenn Ihr mir die Wahrheit gesagt habt, wird Eure Stiefmutter, diese Agatha Hahn, zu Euren Gunsten sprechen. Zunächst aber werde ich Euren Wirtsleuten, dem alten Ludwig und seiner Frau, einen kleinen Besuch abstatten. Ich gehe davon aus, dass die Briefe, von denen Ihr gesprochen habt, noch in Eurem Besitz sind?»
    Henrika errötete. Warum war ihr nicht sofort aufgefallen, wie erschrocken Zorn auf ihre Erwähnung der Briefe an den Flamen reagiert hatte? Er hielt sie nicht fest, weil er sie für eine Mörderin auf der Flucht hielt, die sich im Haus eines Zeitungsdruckers versteckte. Nein, sein Interesse galt einzig und allein Barthels Zeilen. Die Briefe schienen etwas zu enthalten, was Barthel und den Flamen mit den Straßburger Zorns verband. Aber was konnte das sein? Der Ratsherr war doch noch ein Knabe gewesen, als Barthel seine Heimat hatte verlassen müssen. Was also fürchtete er so sehr, dass er glaubte, Henrika einsperren zu müssen?
    «Ihr werdet keine Briefe finden», rief sie mit heiserer Stimme. «Hört Ihr mich? Sie wurden während meiner Flucht verbrannt. Nichts ist von ihnen übrig geblieben.»
    Hinter der Tür blieb es eine ganze Weile still. Zorn schien nachzudenken. Dann fragte er unvermittelt: «Könnt Ihr das beschwören?
    «Ich schwöre es.»
    «Dann freut Euch, Jungfer, denn dieser Schwur rettet möglicherweise Euer Leben.»

19. Kapitel
    Es wurde bereits hell, als Henrika in einen traumlosen Schlaf fiel. Sie erwachte erst, als der Lärm des nahen Münsterplatzes an ihr Ohr drang. Hastig kämpfte sie sich auf die Füße und spähte durch die winzige Luke, doch deren Gitter gestattete ihr nur einen Blick auf den schattigen Winkel eines Innenhofs, in dem weder Mensch noch Vieh zu sehen war.
    Enttäuscht nahm Henrika die Lampe und das in Leder gebundene Büchlein an sich, das der Ratsherr durch die Stäbe geschoben haben musste, während sie geschlafen hatte. Lustlos begann sie in dem Gebetbuch zu blättern. Sie bedauerte, dass sie nie den richtigen Zugang zur Welt des Glaubens gefunden hatte. In ihrer Kindheit war ihr Bild von Gott das eines strengen Mannes mit verkniffener Miene gewesen, der einen weißen Spitzenkragen über dem schwarzen Wams trug und sich über Mädchen wie sie entsetzlich ärgerte. Dabei hatte sie nie geglaubt, dass es wirklich Gott gewesen war, der sie auf die Armesünderbank gesetzt hatte. Im Haus der Hahns waren viele Gebete gesprochen worden. Gebete, die sie ebenso wenig verstanden hatte wie Agathas glühendes Bestreben, zur Schar der Auserwählten zu gehören. Ob ihre Mutter auch eine Calvinistin gewesen war? Vielleicht hätte sie ihr die Geheimnisse des Glaubens besser erklären können als die Dorfbewohner, die Geboten einfach gehorchten, weil bereits ihre Eltern es getan hatten.
    Henrika schlug das Gebetbuch zu und starrte auf den schwarzen Ledereinband, bis sich der Tag seinem Ende zuneigte, doch nichts geschah. Weder Zorn noch ein Vertreter der Obrigkeit kamen, um sie zum Verhör abzuholen. Ob der Ratsherr ihren Fall noch gar nicht zur Anzeige gebracht hatte? Aber nicht einmal er durfte es wagen, Beschuldigte über einen längeren Zeitraum im eigenen Haus festzuhalten. Falls er jedoch nach ihrer Unterredung zu dem Schluss gekommen war, dass sie ihm gefährlich werden konnte, war sie verloren.
    Zorn würde nicht zögern, sie hier unten verhungern zu lassen. Lene Carolus wusste zwar, dass sie ihn hatte aufsuchen wollen, doch gegen einen der mächtigsten Ratsherrn der Stadt konnte auch sie nichts ausrichten.
    Am nächsten Morgen fand Henrika den Eimer, in den sie ihre Notdurft verrichtete, geleert und ausgespült. In einem geflochtenen Körbchen gleich neben der Tür lagen zwei saftige Fleischpasteten, ein Stück Käse, Äpfel und ein Krug mit Most. Zorn oder sein alter Diener mussten die Kammer betreten haben, als sie geschlafen hatte.
    Von den Vorräten, auf die der Ratsherr Henrika hingewiesen hatte, hatte sie nichts angerührt, doch beim Anblick der Speisen im Korb spürte sie, wie sehr ihr

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