Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
stehen.
    Am Ufer des Flusses warteten bereits zahlreiche Fuhrwerke, Wanderer und Reiter darauf, dass man sie den Brückenzoll entrichten und ihre Reise fortsetzen ließ, doch die Kontrollen zogen sich in die Länge, bis die Leute in der Schlange schimpften und klagten. Nur die Schar spanischer Soldaten, die sich mit ihren glänzenden Harnischen hoch zu Ross an den Wartenden vorbeidrängte, wurde von den Brückenwächtern anstandslos durchgelassen. Sie mussten weder warten noch bezahlen und galoppierten mit hochmütigen Mienen über die Brücke, ohne sich an den missbilligenden Mienen der Bauern, Marktfrauen und Händler zu stören, die sich mit ihren Körben und Säcken die Beine in den Leib standen.
    Den Reitern folgte eine prunkvoll verzierte Kutsche, die von Pagen begleitet wurde.
    Geschickt reihte sich David in die Schlange ein, ohne dem Zug der Spanier zu nahe zu kommen. Van Sneek hatte ihm eindringlich geraten, den allerorts aufgeschlagenen Feldlagern aus dem Weg zu gehen, da die Kriegsknechte manchmal Reisende aufs Korn nahmen und sie stundenlang festhielten.
    «Die reiten alle nach Antwerpen», rief ein Mann im dunklen Trauergewand. «Dann werden wir ja bald erfahren, ob der verdammte Krieg weitergeht oder ob wir endlich Frieden im Land haben werden.»
    «Frieden, dass ich nicht lache.» Eine rundliche junge Frau, die auf dem Kutschbock eines beladenen Leiterwagens saß, spuckte im hohen Bogen aus. Dann deutete sie auf zwei Jungen, die hinter ihr einen kläffenden Hund streichelten.
    «Weder meine Kinder noch ich haben jemals erfahren, wie Frieden schmeckt. Dreimal wurde mein Heimatdorf niedergebrannt. Jawohl, dreimal. Zuerst von Herzog Alba, dem ich wünsche, dass seine Gebeine in seiner spanischen Gruft verfaulen, danach von aufständischen Rebellen aus dem Gefolge des Prinzen von Oranien. Zuletzt kamen die Dorfschöffen auf die glorreiche Idee, selbst Feuer zu legen, um den nahenden Feind zu verwirren. Nur an die Scheunen, hatten sie gesagt, aber ihr Plan ging schief, wir verloren alles. Jetzt bin ich auf dem Weg nach Antwerpen. In der Stadt werden meine Kinder wenigstens nicht hungern müssen. Vorausgesetzt, ich finde Arbeit bei reichen Pfeffersäcken.»
    «Hör auf zu schwatzen und fahr weiter, Weib», brummte der Schwarzgekleidete griesgrämig. «Siehst du nicht, dass der Kerl auf der Brücke dich heranwinkt?» Im nächsten Augenblick gab einer der Brückenwächter auch schon ein Signal mit seinem Horn. Der Zug setzte sich stockend in Bewegung.
    Eine Stunde später erreichten auch David und Henrika das Nordufer der Schelde. Vor ihnen lag nun flaches Land, so weit das Auge reichte: kleine Dörfer, vor denen das Vieh im Sonnenschein weidete, und verträumt daliegende Seen zwischen Kornfeldern.
    Die Straße, die sich wie ein gelbes Band dahinzog, erschien Henrika endlos. Sie hatte während der Fahrt kaum ein Wort mit David gewechselt, zu viele Gedanken wanderten ihr durch den Kopf.
    «Was hast du?», erkundigte sich David nach einer Weile. «Fehlt dir etwas?» Er zog die Zügel an und griff nach seiner Lederflasche, um einen Schluck Wasser zu trinken. Die Sonne brannte bereits heiß vom Himmel herab, und nicht das kleinste Lüftchen wollte sich regen.
    «Das fragst du noch?» Henrika setzte sich auf. «Hast du nicht gehört, worüber die Leute vorhin am Brückentor gesprochen haben? In Antwerpen werden Beschlüsse getroffen, die über das Schicksal Tausender entscheiden. Wird der Krieg weitergehen, oder werden die Waffen bald schweigen? Ich weiß ja, dass es töricht ist, aber ich wünschte, ich könnte dabei sein, zuhören und alles niederschreiben, was während der Verhandlungen beschlossen wird. Für die Straßburger Relation .»
    «Du hast also immer noch nicht mit der Gazette abgeschlossen», seufzte David. «Deine Leidenschaft für die schwarze Kunst in Ehren, aber du solltest nicht vergessen, warum wir hierhergekommen sind.»
    Als ob ich das auch nur für eine Stunde vergessen könnte, dachte Henrika. Je mehr Meilen sie zurücklegten, desto stärker wurde ihr Gefühl, dass sie nicht zum ersten Mal durch die flämische Provinz reiste. Doch sosehr sie sich auch den Kopf zerbrach, es gelang ihr nicht, sich an irgendetwas zu erinnern.
    Ihr Leben hatte in einem verfallenen Haus nahe den Stadtmauern von Heidelberg begonnen. Was auch immer davor geschehen sein mochte, lag unter einem dichten Schleier begraben. Daran gab es nichts zu rütteln.

    Oudenaarde war eine kleine Stadt. Sie lag direkt an der

Weitere Kostenlose Bücher