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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Haus, in dem der Verdürenmacher Quinten Marx seinem Handwerk nachging. Es lag ein wenig abseits vom Gewirr der Gässchen und Straßen der Stadt, nahe der Kirche Onze Lieve Vrouw van Pamele am rechten Ufer der Schelde und besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Stadthaus der Zorns in Straßburg. Auch das Goedmeesterhuis war aus grauem Stein erbaut und besaß Stufengiebel, die bis zum Schornstein hinaufstiegen. Die Tür zur Straße war schmal; von einem Querbalken hing eine brennende Laterne an einer Kette herab. Das Anwesen wirkte unscheinbar, aber behaglich.
    Auf Henrikas Klopfen erschien eine Magd, die sie und David misstrauisch beäugte, ehe sie mit einem gnädigen Nicken entschied, die Fremden einzulassen.
    «Der Herr ist aber nicht zu Hause», sagte sie, während sie in einem düsteren Flur verschwand. «Wartet in der Halle, ich frage nach, ob Frau Katharine Euch empfangen will.»
    David suchte nach Henrikas Hand. Sie zitterte und war kalt wie Eis. «Da haben wir also das Gutmeisterhaus», flüsterte er. «Kannst du dich an etwas erinnern? Bist du jemals hier gewesen?»
    Henrika sah sich um, ließ nach einer Weile jedoch ratlos die Schultern sinken. Sie konnte es nicht sagen. Die vom Ruß der Lampen geschwärzten Wände verrieten ihr ebenso wenig Erhellendes wie der knarrende Holzboden oder der Eichenschrank, auf dem ein schwarzer Federhut lag. Er gehörte vermutlich dem Hausherrn. Für einen reichen Mann, der mit seinen kostbaren Wandbehängen ein Vermögen verdiente, wirkte diese Diele geradezu spartanisch. Außer einem Kruzifix neben der Tür gab es keinerlei Zierrat. Eine geschnitzte Bank ohne Kissen und Polster rundete die Einrichtung ab.
    Es verging eine Weile, bis die Magd zurückkehrte. Aber sie kam nicht allein. Eine hochgewachsene Frau in einem dunklen, nach spanischer Mode geschnittenen Kleid folgte ihr in gemessenem Abstand. Ihr Haar steckte unter einem altmodischen Gebende aus weißem Leinen, was es schwer machte, ihr Alter zu schätzen. Die Haut der Frau saß zwar straff über den hohen Wangenknochen, war jedoch von auffallender Blässe, als vermeide sie es, tagsüber aus dem Haus zu gehen. Ihr Kinn ruhte auf einer steif abstehenden, gefältelten Halskrause. Der einzige Schmuck, den sie trug, war eine Halskette mit dem Medaillon eines Schutzheiligen, möglicherweise des Patrons der Seidenweber.
    «Ihr wolltet mich sprechen?» Die Frau sprach langsam, doch fast ohne Akzent. «Ich bin Katharine Marx, die Schwester des Hausherrn.» Sie bedeutete ihrer Dienerin, sich zurückzuziehen.
    Henrika machte einen Schritt auf die Hausherrin zu. «Mein Name ist Henrika Gutmeister, und ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, um mit Eurem Bruder, dem Verdürenmacher Quinten Marx van Oudenaarde, zu sprechen.»
    Katharine Marx schnappte nach Luft. «Gutmeister nennt Ihr Euch, Jungfer? Sagt, wollt Ihr Euch über mich lustig machen oder …» Sie hob drohend den Zeigefinger, wich aber vor Henrika zurück, als habe ihr diese einen gehörigen Schrecken eingejagt. «Ich heiße wirklich Gutmeister», sagte Henrika. «Jedenfalls ist das der einzige Name, an den ich mich erinnere.»
    «Das kann nicht sein.» Die Schwester des Verdürenmachers sank auf die Holzbank und musterte Henrika von Kopf bis Fuß. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. «So hat sie sich und ihr Kind also nach dem Haus benannt, in dem sie zur Welt kam.»
    «Sprecht Ihr von meiner … Mutter?»
    «Von wem denn sonst? Folge mir, ich möchte dir etwas zeigen!» Unvermittelt kam Leben in die Frau. Sie sprang auf, packte Henrika am Handgelenk und zog sie durch den dunklen Flur, bis sie zur Rückseite des Hauses gelangten. Dort gab es ein kleines Gärtchen, das von stacheligen Brombeerhecken umzäunt war. Katharine Marx führte Henrika zu einem Schuppen, vor dem sich rechteckige Käfige mit hölzernen Stäben befanden.
    «Kaninchen», entfuhr es Henrika, als ihr Blick auf eines der pelzigen Tiere fiel, das sich neugierig gegen die Stäbe drückte. «Ich … erinnere mich. Bei Gott, ich kann mich an sie erinnern.» Mit zitternden Händen öffnete sie den Stall und nahm das Kaninchen behutsam auf den Arm. Tränen schossen ihr in die Augen, als ihre Finger durch das weiche Fell glitten.
    «Du konntest kaum laufen, da warst du schon vernarrt in die Biester. Deine Mutter musste dich stundenlang rufen, bevor du dich von ihnen trennen konntest.»
    Henrika verharrte eine Weile, unfähig, sich zu rühren oder nur ein Wort zu sagen. Dann drückte sie David,

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