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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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dummen Fragen stellen! Könnt Ihr damit etwas anfangen?»
    Eine Antwort wartete die Frau nicht mehr ab. Flink schlug sie ihren Laden zu und ließ Hahn auf der Gasse stehen.

    Wütend kämpfte sich Hahn durch das Gedränge in den Straßen. Der Bote hatte ihn genarrt und warten lassen wie einen Bettler. Dann hatte er ihn abserviert. Das war unerhört.
    Wie konnte der Kerl es wagen, so mit ihm umzuspringen? Er hatte es nicht einmal für nötig befunden, ihm persönlich mitzuteilen, dass die Zahlungen für Henrika fortan ausbleiben würden. Stattdessen warf der Bursche sein Geld durch das Fenster eines verschlafenen Weibsbildes. Nach allem, was Hahn für Henrika getan hatte, wurde er nun einfach beiseitegeschoben.
    Hahn atmete zunehmend schwer; ein Schwindelgefühl überkam ihn und bremste seine Schritte. Die Menschen wichen kopfschüttelnd vor ihm zurück, als hätten sie einen Aussätzigen vor sich. Nun ja, er war fremd in der Stadt, und Seuchen lauerten dieser Tage allerorts. Kein Wunder, dass die Leute Abstand hielten. Das Geld würde also von heute an ausbleiben, überlegte er und dankte Gott dafür, dass er ein Haus und ein Stückchen Land besaß. Die Werkstatt lief nicht schlecht; auf Almosen waren sie nicht angewiesen.
    Nicht im Moment jedenfalls.
    Was aber würde geschehen, wenn das Zittern, das er zuweilen in seinen Händen spürte, stärker wurde? Wenn es für ihn bald zu mühsam wäre, Filz zu formen und mit dem Karren Hüte auszuliefern? Seinen Knechten traute er nicht über den Weg. Das faule Gesindel, allen voran Roland, würde auf Wanderschaft gehen und ihn sitzenlassen, kaum dass sie den Zehrpfennig von ihm eingesteckt hatten. Würde er auch dann noch behaupten, dass ihn Henrikas Kostgeld nicht interessierte?
    Und Agatha? Hahn konnte nicht leugnen, dass seine Familie gut von der Summe gelebt hatte, die er alle zwölf Monate aus Heidelberg nach Hause brachte. Seine Frau hatte sich schnell an die Annehmlichkeiten gewöhnt, die der bescheidene Wohlstand mit sich brachte. Sie verstand ihn als Hinweis darauf, dass ihre Sippe zu den vom Herrn zur Seligkeit Erwählten gehörte und nicht zu den Verdammten, die es im Leben zu nichts brachten. Würde sie Verständnis dafür haben, wenn er nun ohne den erwarteten Betrag im Beutel vor der Tür stand?
    Hahn presste die Lippen aufeinander; der Schmerz in seinen Eingeweiden raubte ihm den Atem. Henrika war wie eine Tochter für ihn, und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern. Wer jagte schon sein Kind vor die Tür, nur weil es ihm kein Geld einbrachte? Nur ein herzloser Schuft würde solche Gedanken hegen. War es nicht überhaupt Sünde in den Augen des Herrn, einen Menschen gegen schnöden Mammon aufzuwiegen? Immerhin hatte er einer Sterbenden ein Versprechen gegeben, das er halten musste.
    Als Hahn wieder in dem kleinen Kämmerchen saß und den Geräuschen lauschte, die aus der Küferei heraufdrangen, kam ihm ein Gedanke. Womöglich war der unbekannte Bote der Meinung, dass Henrika sein Geld gar nicht mehr benötigte. Sie war schließlich erwachsen. Die meisten Mädchen in ihrem Alter lebten nicht mehr im Elternhaus, sondern hatten geheiratet und eigene Familien gegründet. Der Fremde hatte ein Kind unterstützt, eine erwachsene Frau ging ihn nichts mehr an. Die sollte sehen, wie sie sich allein durchs Leben schlug.
    Mit einem bitteren Lachen schlug Hahn auf das pralle Lederkissen seines Stuhls. Wer auch immer für Henrikas Unterhalt aufgekommen war, er machte sich kein Bild von dem, was der Hutmacher alles für sie getan hatte, welche Schwierigkeiten er auf sich genommen hatte. Er, Valentin Hahn, hatte das Mädchen ernährt und gekleidet. Er hatte es zu einem gottesfürchtigen jungen Menschen erzogen und dafür gesorgt, dass es die Eigenheiten ihrer Kindheit abgelegt hatte. Doch genutzt hatte das nicht viel. Im Dorf war Henrika heute nicht beliebter als damals, und gewiss würde es in diesen Zeiten schwer werden, einen passenden Ehemann für sie zu finden. Die Gemeindeältesten, um deren Besuch Agatha gebeten hatte, hatten bei diesem Thema mitleidig mit den Schultern gezuckt und sich bald darauf aus dem Staub gemacht. Obgleich Agatha angedeutet hatte, dass Henrika eine großzügige Mitgift erwarten durfte, war keiner der Männer bereit gewesen, an eine Verbindung zwischen Henrika und einem ihrer Söhne auch nur einen Gedanken zu verschwenden.
    «Dann eben nicht», murmelte Hahn. «Henrika ist ohnehin zu schade für einen dieser verbohrten

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