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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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worden war. Soweit Hahn erkennen konnte, führte sie in einen schlauchartigen Zwischenraum, der wiederum den Blick in eine größere, holzgetäfelte Amtsstube erlaubte. Diese sah mit ihren silbernen Kerzenhaltern, dem Wandteppich und dem kostbaren Schreibtisch um einiges behaglicher aus als die kärgliche Schreibkammer des Gerichtsschreibers.
    «Welches Jahr?»
    Hahn beobachtete, wie der Schreiber einen mächtigen Schrank öffnete, in dessen Laden und Fächern sich Akten und Bücher stapelten. Die Gerichtsbücher waren in rotes Leder gebunden und verströmten einen Geruch von Alter und Wichtigkeit.
    «Nun, es geschah vor fünfzehn Jahren, zu Michaeli», antwortete Hahn. Er wartete geduldig, bis der Mann mit einem der Bücher zurückkehrte und es vorsichtig auf einem Stehpult niederlegte.
    «Könnt Ihr lesen?», erkundigte sich der Schreiber, während er sich mit dem Hemdsärmel über die gerötete Nase rieb. Als Hahn unsicher mit den Schultern zuckte, nickte er. «Das dachte ich mir.» Er schlug das Buch auf und begann darin zu blättern, wobei er mit einer ehrfurchtsvollen Geste über das raue Papier strich.
    Dummer Wichtigtuer, dachte Hahn. Er bemühte sich, wenigstens ein paar Buchstaben zu entziffern, gab sich jedoch bald geschlagen. Der Schreiber hatte recht. Die Schrift war schwer zu lesen.
    «Welcher Prozess interessiert Euch denn genau?»
    «Zu Michaeli wurde eine Frau wegen Ehebruchs verurteilt», sagte Hahn. «Sie wurde mit dem glühenden Eisen gebrandmarkt und anschließend aus der Stadt getrieben. Ich möchte wissen, wer die Frau war, woher sie stammte und wer den Fall zur Anzeige gebracht hat.»
    «Ein Ehebruch? Seid Ihr sicher?» Der Gerichtsschreiber überflog die Protokolle, dann befeuchtete er einen Finger und blätterte die Seite um. «Nach der Carolina stehen auf den böswilligen Verstoß gegen das siebte Gebot härtere Strafen als die von Euch beschriebene. Hier ist zum Beispiel die Prozessakte einer gewissen Maria Sabina Taschenlaub, Ehefrau des Fleischers Jakob Taschenlaub aus dem Ort Ziegelhausen. Sie wurde drei Monate vor der von Euch angegebenen Zeit wegen schwerer Unzucht mit dem Schwert hingerichtet. Ich habe auch schon Fälle erlebt, wonach Weiber lebendig in der Erde begraben wurden. Aber soweit ich mich erinnere, sieht das Gesetz nicht vor, ihnen ein Schandmal einzubrennen und sie dann der Stadt zu verweisen. Das ist eine Strafe für reuelose Huren.» Er schlug das Buch zu und schüttelte den Kopf. «Nein, Ihr müsst Euch irren. Im Jahre des Herrn 1590 wurde in Heidelberg kein Weib gebrandmarkt. Daher findet sich weder Anklageprotokoll noch Urteilsspruch.»
    Hahn wurde bleich. «Aber … Wie ist das möglich?», stammelte er. «Ich habe die Frau doch mit meinen eigenen Augen gesehen. Sie muss einer vornehmen Familie entstammen. Könnte es nicht sein, dass diese Leute …»
    «Wollt Ihr damit andeuten, unsere Protokolle seien fehlerhaft? Oder der Stadtrichter ließe sich bestechen, um die Bücher zu fälschen?»
    Hahn dachte an den Silbergroschen, ohne den sich der Schreiber nicht einmal von seinem Stuhl hatte erheben wollen, zog es aber vor, den verärgerten Mann nicht zu reizen.
    «Nein, das behaupte ich ja gar nicht. Ich frage mich nur, warum der Prozess nicht in den Akten zu finden ist.»
    «Er wurde nicht aufgezeichnet, weil er nicht stattfand. Geht das nicht in Euren Bauernschädel?»
    «Sagt Euch dann wenigstens der Name Gutmeister etwas?», wagte Hahn einen letzten Versuch. «Henrika Gutmeister? Vielleicht ist das Mädchen nach seiner Mutter benannt worden.»
    «Gutmeister? Bedauere, nie gehört. Ich glaube nicht, dass es innerhalb der Stadtmauern eine Familie dieses Namens gibt.» Der Schreiber legte die Hand auf das Prozessbuch, als wolle er verhindern, dass Hahn sich ihm noch einmal näherte.
    «Allerdings habe ich meine Tätigkeit erst vor drei Jahren aufgenommen. Ich kam mit dem neuen Richter in die Stadt. Sein Vorgänger starb anno 1597 an der Pest. Damals wurden etliche Gerichtsbücher geschlossen und hinauf ins Schloss gebracht.»
    «Aber vielleicht kennt Ihr ja jemanden, der die Seuche überlebt hat und sich an die Frau erinnert? Was ist mit dem Scharfrichter, der das Urteil vollstreckte?»
    Der Schreiber warf Hahn einen verächtlichen Blick zu. Scharfrichter galten überall im Reich als unehrlich und wurden nach Möglichkeit gemieden.
    «Ich kann Euch nicht helfen», erklärte der junge Mann kalt. Er hustete. «Wenn Ihr mich nun entschuldigen möchtet. Mir brummt der

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