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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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begegnet war, rührte sich das beklemmende Gefühl in seiner Brust, etwas Verbotenes zu tun. Sein Unbehagen wuchs, als er sich der Kirche näherte. Er mochte die Kirche nicht; sie schüchterte ihn ein und erinnerte ihn daran, dass er in ihrem Schatten um Henrikas Zukunft feilschte. Er hoffte daher, das Geschäftliche rasch erledigen und die Stadt nach einem kräftigen Schluck Bier und einem Teller Brühe wieder verlassen zu können.
    Für gewöhnlich war der Fremde pünktlich. Und er sprach so gut wie nie mit ihm. Kein einziges Mal war es vorgekommen, dass er sich nach dem Mädchen erkundigt hatte, das er oder sein Auftraggeber so großzügig unterstützte. Aber Hahn konnte das im Grunde gleichgültig sein. Für ihn zählte allein das Übereinkommen, und er war stets bereit gewesen, sich an die Regeln zu halten, um es nicht zu gefährden.
    Frierend rieb Hahn seine Hände. Obwohl allmählich die Sonne aufging, war es doch keinen Deut wärmer geworden. Wo steckte der Bursche nur? Warum ließ er ihn ausgerechnet heute warten, wo es ihm nicht gutging? Mit wachsendem Verdruss beobachtete er, wie eine Schar schwatzender Magister auf das Portal der Heiliggeistkirche zuhielt. Die jungen Männer unterhielten sich in Latein und sahen nicht einmal in seine Richtung. Sie strömten an ihm vorbei in das Gotteshaus; dann fiel die schwere Tür mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss.
    Hahn begann auf und ab zu gehen, um die Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben. Vom Neckar zog erneut eisiger Wind herauf. Irgendetwas stimmte nicht. Hatte der Mann ihn etwa vergessen? Zum ersten Mal nach fünfzehn Jahren? Er konnte es nicht glauben und beschloss, dem Boten weitere zehn Minuten zu geben. Aus der Kirche drang inzwischen feierlicher Gesang. Die Magister hatten einen Choral angestimmt; sie sangen dreistimmig, aber ohne Begleitung, denn eine Orgel gab es in der Heiliggeistkirche nicht. Die letzte hatte Kurfürst Friedrichs Vater entfernen lassen, da er fürchtete, Musikinstrumente würden das Volk von der Predigt ablenken. Daher waren sie ebenso verpönt wie Bilder, Kreuze an den Wänden oder mit Blumen und Zierrat geschmückte Altäre. Schlicht sollte der Kirchenraum sein. Schlicht, kahl und rein. Gesäubert vom Schmutz der Welt und vom gottlosen Prunk, den die Papsttreuen bevorzugten. So hatte Agatha es ihm jedenfalls erklärt.
    Die Musik gefiel Hahn, die Klänge ließen ihn einige wenige Augenblicke vergessen, dass sein Magen knurrte und seine Gliedmaßen schmerzten. Plötzlich hörte er, wie ein Fensterladen aufgestoßen wurde. Erschreckt durch das quietschende Geräusch der Angeln, hob Hahn den Kopf. Eine Frau musterte ihn mit einer Mischung aus Zweifel und Neugier. Sie mochte in Henrikas Alter sein, wirkte jedoch mit ihrem aufgedunsenen Gesicht und dem strähnigen Haar, das keine Haube verdeckte, wesentlich älter. Als die Frau bemerkte, dass Hahn sie ansah, kreuzte sie ihre Arme vor der Brust und bedeckte ihre nackten Schultern mit den Händen. Offensichtlich war sie noch nicht vollständig bekleidet, und es war ihr sichtlich unangenehm, dass ein fremder Mann sie so zu Gesicht bekam.
    «Wenn Ihr Euch hier mit jemandem verabredet habt, empfehle ich Euch, nach Hause zu gehen», rief die Frau Hahn zu. «Der, den Ihr erwartet, wird sich heute bestimmt nicht mehr blicken lassen!»
    Hahn runzelte die Stirn. Er verspürte wenig Neigung, sich mit der Frau am Fenster zu unterhalten, aber notgedrungen tat er es doch.
    «Woher wollt Ihr wissen, auf wen ich warte?»
    «Weil vorhin ein junger Bursche mit käsigem Gesicht hier aufkreuzte, einen Stein gegen meinen Fensterladen warf und mich bat, nach Tagesanbruch hinunter auf die Gasse zu schauen», gab sie schnippisch zurück. «Außer Euch sehe ich niemanden, also müsst Ihr derjenige sein, nach dem ich Ausschau halten sollte.»
    Hahn sog die schwere Morgenluft ein, ließ die Frau aber weiterreden.
    «Der Kerl hat mir einen Gulden durchs Fenster geworfen, aber ein Meisterschütze wird aus dem wohl kaum noch werden, auch wenn er wie ein Soldat aussah. Hat meinem armen Mann mit der Münze eine hübsche Beule am Kopf verpasst.»
    Auf die Bemerkung hin schien sich in der Stube leiser Widerspruch zu regen, der jedoch mit einem strengen Blick der Frau im Keim erstickt wurde.
    «Nun, jedenfalls soll ich Euch ausrichten, dass die Lieferungen künftig ausbleiben werden. Ihr braucht nicht mehr wiederzukommen, verstanden? Aber Ihr sollt Euch trotzdem auch weiterhin an die Abmachung halten und keine

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