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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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auf der sich die Tribüne mit dem thronartigen Sessel des Kurfürsten sowie eine kleine Rüstkammer und die Zelte der Hofbeamten, Quartiermeister und Offiziere befanden. Barthel und der alte Graf zu Solms, beide in glänzenden schwarzen Samtmänteln, diskutierten mit energischen Gesten, wobei der Festungsbaumeister einige Male auf die Papierrolle zeigte, die er mit sich herumtrug. Henrika hatte keine Ahnung, um was es sich bei dem Streit handelte. Doch sie hatte bereits zu Hause bemerkt, dass ihr Dienstherr um die Papiere ein großes Geheimnis machte und sie nicht einen Moment aus den Augen ließ.
    «Wie du siehst, ist Barthel viel zu sehr mit seinen Pflichten beschäftigt, um an etwas anderes zu denken.»
    Die Wirtin rang sich ein Lächeln ab, das nicht preisgab, ob sie den Baumeister gesehen hatte oder nicht. «Dein Wort in Gottes Ohr», sagte sie. «Aber heute ist ja auch ein großer Tag für ihn und seinen Fürsten, nicht wahr? Ein Triumph.» Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. «Es wäre schön, wenn einige der hohen Herrschaften mir ein paar Becher Wein abkauften, bevor sich der Tag dem Ende zuneigt.»
    Henrika wünschte es ihrer Tante von ganzem Herzen. Als sie sich verabschiedete, erklangen auch schon Fanfaren und Jagdhörner, denen ein Hagel von Salutschüssen und Jubelrufe folgten. Die Menschen überquerten winkend den Platz und schlugen den Weg ein, der zum Ufer führte. Dort glitt das Prunkboot, das den Kurfürsten und seine engsten Vertrauten zur Grundsteinlegung beförderte, geschmeidig durch die grünlich glitzernden Wellen. Unter Beifall bahnte es sich seinen Weg in den Hafen der zukünftigen Festungs- und Handelsstadt.

    Anna von Neufeld hatte die Unterhaltung zwischen Henrika und der Wirtin aus einiger Entfernung beobachtet. Für gewöhnlich fiel es ihr leicht, an den Gesichtern der Menschen abzulesen, wie sie zueinander standen. Ob sie einander mochten, vertrauten oder verabscheuten. Doch hier war es ihr nicht gelungen, denn die Frau verbarg ihre wahren Gefühle hinter einem aufgesetzten Lächeln.
    Henrika zu durchschauen war da schon einfacher; sie machte einen betroffenen Eindruck, ihre unsicheren Gesten und der niedergeschlagene Blick rochen geradezu nach schlechtem Gewissen.
    Ein Lächeln glitt über Annas Lippen; wenigstens hier versagte ihr Spürsinn nicht. Henrika fühlte sich eindeutig schuldig und hatte sie vorausgeschickt, um bei der Frau in irgendeiner Form Abbitte zu leisten.
    Sie wartete geduldig, bis Henrika gegangen war, um mit den anderen Schaulustigen der Ankunft der kurfürstlichen Barkasse beizuwohnen. Dann schlenderte sie auf den Ausschank zu. Sie nahm sich vor, keine Zeit mit langen Reden zu vergeuden, und kam dann auch ohne Umschweife zur Sache.
    «Ihr habt Euch gerade mit Henrika Gutmeister unterhalten, nicht wahr?»
    Elisabeth, die gerade mit der Reinigung eines grünlich schimmernden Glaspokals beschäftigt war, blickte die Fremde argwöhnisch an, besann sich aber sogleich auf die guten Sitten. «Das ist richtig, Jungfer. Möchtet Ihr einen Schluck Wein? Er stammt aus dem Moseltal.»
    Anna lächelte. Sie betrachtete das Angebot der Gastwirtin mit vorgetäuschtem Interesse, schüttelte dann aber den Kopf. «Eine Auskunft wäre mir lieber, gute Frau. Ich möchte, dass Ihr mir verratet, worüber Ihr eben mit Henrika gesprochen habt.» Voller Befriedigung beobachtete sie, wie sich die Mundwinkel der Wirtin senkten. Sie sah aus, als hätte sie Anna am liebsten davongejagt. Doch sie konnte es sich nicht erlauben, in aller Öffentlichkeit unangenehm aufzufallen. Einer Person höheren Standes schuldete sie Respekt.
    «Henrika Gutmeister ist die Pflegetochter meiner Schwester. Aber seit sie im Haus dieses Festungsbaumeisters lebt, habe ich sie nicht mehr gesehen. Sie kam nur an den Stand, um mich zu begrüßen.»
    «Um Euch zu begrüßen? Das ist ja interessant. Ich glaube, nun dürft Ihr mir doch ein Glas Eures vorzüglichen Moselweins anbieten.»
    Während Elisabeth ihr den Rücken zukehrte, um mit zittrigen Fingern einen neuen Krug zu füllen, öffnete Anna ihre Tasche und entnahm ihr ein paar gelbe Körnchen, die sie mit einer flinken Geste in den bereits gespülten Glaspokal rieseln ließ. Elisabeth bemerkte nichts davon. Als sie das Glas füllte, blieben die winzigen Körner unsichtbar.
    «Ihr wolltet mir mehr über Eure Nichte erzählen», bemerkte sie, während sie den Pokal aus Elisabeths Hand entgegennahm. «Und es wäre besser für Euch, wenn Ihr gar nicht erst

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