Die Meisterin der schwarzen Kunst
von unserer kleinen Unterredung berichte. Nur eine letzte Frage habe ich noch.» Sie blickte Elisabeth kalt an. Es fühlte sich herrlich an, wenn man einen Menschen in die Enge getrieben hatte.
«Ich möchte wissen, wer außer Euch im Dorf noch Gründe dafür haben könnte, Henrika Böses zu wünschen.»
8. Kapitel
Die Grundsteinlegung für die Festung Friedrichsburg war ein denkwürdiges Ereignis, von dem noch lange geredet wurde. Eine Flut von Druckschriften warb für die neue Stadt, die den alten, engen Städten des Reiches den Rang abkaufen sollte. Mit jedem Tag, der im Lauf des Sommers verging, wurde der Strom der Schaulustigen größer, die es sich nicht nehmen lassen wollten, den Fortschritt der Baumaßnahmen zu betrachten oder einmal über eine der neuen breiten Straßen zu spazieren, die Barthel und seine Männer angelegt hatten, um der Stadt das Gefühl von Weitläufigkeit und Größe zu verleihen.
Der Ort war von Betriebsamkeit erfüllt, wohin man auch blickte wurde gemauert, gehämmert und gesägt. Zimmermeister errichteten Gerüste, damit der baufällige Turm der St. Sebastiankirche ausgebessert werden konnte, das alte Rathaus erhielt einen Anbau für die Stadtschreiberei und Amtsstuben, außerdem einen Dachreiter und einen zierlichen Erker mit Bleiglasfenstern, die im Sonnenschein herrlich funkelten.
Rund um den großzügig angelegten Marktplatz erwarben wohlhabende Kaufleute Grundstücke. Sie ließen die Bauernkaten abtragen und gaben stattdessen Bürgerhäuser mit geräumigen Kellergewölben für Waren aller Art in Auftrag. Zahlreiche Heidelberger Bürger entschieden sich, der Einladung des Kurfürsten zu folgen und ihre Kontore in die neue Stadt zu verlegen, deren Lage zwischen Neckar und Rhein einen schwungvollen Warenverkehr versprach.
Auch an die Schar kurpfälzischer Soldaten, die nun regelmäßig auf dem Weg zum Exerzierplatz über die noch ungepflasterten Straßen ritten oder marschierten, gewöhnten sich die Leute schnell. Manch einer der Bauernsöhne hatte die Gelegenheit genutzt, sich den kurfürstlichen Musketieren anzuschließen, und war ins Feldlager gezogen. Dieses Leben versprach größere Abenteuer, als sein Dasein hinter dem Pflug oder im Stall zu fristen.
Henrika beobachtete die Veränderungen, die den Anbruch einer neuen Zeit versprachen, mit Begeisterung. Obwohl Barthel viele Stunden auf den Baustellen der Festungsanlage verbrachte, nahm er sich abends nun öfter die Zeit, mit ihr zu plaudern. Doch nicht nur das. Zu Henrikas Freude fand er sich bereit, sie auch in einigen Wissensgebieten zu unterrichten. Lesen und Schreiben hatte sie zwar von einem Dorfschullehrer gelernt, doch mehr Bildung hatten die Hahns ihr nicht zugestanden. Sie hatten die Auffassung vertreten, es genüge völlig, wenn ein Mädchen die Bibel und den Heidelberger Katechismus lesen könne. Alles Weitere verführe nur zu Hochmut und Eitelkeit.
Barthels Bücher erschlossen ihr dagegen eine neue und aufregende Welt. Seine Bibliothek umfasste nicht nur Werke über Geometrie und Astronomie, sondern auch über Pflanzen und Heilkunde, Berichte über die Neue Welt und Abhandlungen zu Poesie, Philosophie und Musik. Barthel ließ Henrika bei ihren Studien freie Hand, achtete aber darauf, dass ihr Lehrplan so viele Wissensgebiete wie möglich berührte. Fand er ein wenig freie Zeit, so setzte er ihr die Geschichte des Reiches und Fragen der Religion auseinander und erklärte, inwieweit sich der alte katholische Glaube von den Ansichten der Reformatoren unterschied.
Henrika saugte die Ausführungen ihres Dienstherrn auf wie ein Schwamm. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die er ihr zukommen ließ, auch wenn ihr vieles, über das er sprach, Kopfzerbrechen bereitete. Lateinische Verben zu konjugieren empfand sie als mühsam, auch mit Zirkel und Lineal stellte sie sich nicht so geschickt an, wie Barthel erwartet hatte. Zu seiner Überraschung stellte sie ihn jedoch im Rechnen rasch zufrieden. Nachdem sie jahrelang nichts anderes getan hatte, als Wein auszuschenken oder die Werkstatt der Hahns auszufegen, kam Henrika der Gebrauch ihres Verstandes wie eine Erlösung vor. Sie war Barthel dankbar, dass er ihr Unterricht erteilte, konnte sich jedoch nicht erklären, warum er sich plötzlich so viel Mühe mit ihr gab.
Anna von Neufeld nahm an ihren gemeinsamen Stunden nicht teil. Sobald es Zeit für Henrika war, mit ihren Büchern an die Tür des Kabinetts zu klopfen, warf sie sich mit einer unmissverständlichen Geste einen
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