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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Ausschank kaufen?» Anna schüttelte sich. «In der Stadt kommen Weinpanscher an den Pranger. Aber hier im Dorf? Lass uns lieber die Buden mit den hübschen Tüchern anschauen oder gleich zur Tribüne hinaufsteigen. Das Parademanöver hat bereits begonnen, aber wenn es stärker stürmt, werden sie es abbrechen.»
    Auf den feuchten Rheinwiesen hatten Landsknechte unter dem Kommando eines Offiziers eine befestigte Artilleriestellung aus Palisaden und Flechtwerk errichtet, die zur Unterhaltung der Menge im Sturm genommen werden sollte. Trommler und Pfeifer marschierten über den Platz, auf dem die Festung entstehen sollte, und warben unter den Schaulustigen für das militärische Spektakel, während ihr Kommandant die Stellung besichtigte und seine Untergebenen beschimpfte.
    «Die Frau, die das Fass angezapft hat, ist meine Verwandte», erklärte Henrika, die Mühe hatte, sich inmitten des Getöses verständlich zu machen. «Ich muss mit ihr reden. Allein, wenn du nichts dagegen hast. Und keine Sorge, ich werde die Grundsteinlegung nicht versäumen.»
    Anna winkte ab. Fasziniert von dem bunten Treiben, nickte sie Henrika zu und lief dann mit einem breiten Lächeln weiter, ohne sich noch einmal nach Henrika oder Elisabeths Stand umzuschauen.
    Als Henrika sich dem Ausschank näherte, war die Wirtin damit beschäftigt, einer der Mägde Faulheit und Unzuverlässigkeit vorzuhalten. Wie es aussah, hatte sich das Mädchen davongeschlichen, um mit einer Schar Musketiere herumzutändeln. Die Männer boten in ihren gefütterten roten Überwurfmänteln, den blauen Kniehosen und den mit gelben Seitenschleifen verzierten Strümpfen einen beachtlichen Anblick, das musste auch Henrika zugeben. Als sie an ihnen vorbeilief, schwenkten die Burschen zum Gruß ihre Federhüte.
    «Du träumst ja, Mädchen», hörte Henrika ihre Verwandte klagen. «Während du das eitle Mannsvolk bewunderst, tränkt mein guter Moselwein den Boden.»
    «Ich helfe dir, Tante», schlug Henrika, ohne zu zögern, vor. Tatkräftig nahm sie der verdutzten Magd den vollen Becher aus der Hand, nahm sich eines der Tücher, die auf dem Fass lagen, und säuberte den Rand mit einer geübten Bewegung.
    Elisabeth starrte sie mit offenem Mund an. Sie schien eine Weile zu brauchen, bis sie Henrika in ihrer Aufmachung wiedererkannte. Das Brokatkleid mit dem zierlichen Schleier, das Henrika zur Feier des Tages angelegt hatte, passte auch eher zu einer Hofdame als zu dem Mündel eines einfachen Dorfhutmachers. Zu allem Überfluss hatte Anna darauf bestanden, Henrikas Haar mit einer glühenden Brennschere in kunstvolle Locken zu verwandeln und es mit samtenen Bändern zu schmücken, die Henrika hinter den Ohren kitzelten.
    Elisabeth musterte sie von Kopf bis Fuß. Dann entschied sie sich dafür, ihr Gesicht durch ein vorsichtiges Lächeln aufzuhellen.
    «Henrika, mein Kind. Ich hoffte, dass ich dich heute hier sehen würde. Du hast mir gefehlt.» Sie kam hinter dem Schanktisch hervor, schubste die gaffende Magd zur Seite und hauchte Henrika einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    «Warum hast du dich so lange nicht bei mir blicken lassen?», fragte sie, nachdem sie Henrikas Kleid einer kritischen, aber wohlwollenden Musterung unterzogen hatte. «Hat dein Dienstherr dir verboten, uns zu besuchen?»
    Umständlich begann Henrika zu erklären, dass ihre Pflichten in den Gebäuden der Zollschreiberei ihr nur wenig Zeit für Besuche in der Nachbarschaft ließen. Sie war heilfroh, dass Elisabeth es dabei bewenden ließ. Sie stellte keine Fragen, erlaubte aber auch nicht, dass Henrika ihr am Schanktisch half. Mit einer abwehrenden Geste trieb sie das Mädchen zurück.
    «Schlag dir das aus dem Kopf, Henrika. Du würdest dein hübsches Kleid ruinieren. Und diese Ohrringe. Sind das echte Perlen?»
    Henrika lächelte schief. Den Schmuck hatte Anna ihr aufgedrängt. Ihr selbst wäre es nicht im Traum eingefallen, Barthel darum zu bitten. Aber natürlich hatte Anna ihren Protest nicht gelten lassen. Keine Edeldame, so hatte sie behauptet, erschien zu solch einem feierlichen Anlass ohne Geschmeide. Schon gar nicht, wenn die Möglichkeit bestand, dem Kurfürsten und seiner Gemahlin zu begegnen. Aber Henrika war keine Edeldame, sondern spielte eine Rolle, die man ihr aufzwang und über deren Bedeutung sie sich noch immer nicht im Klaren war.
    «Wie steht es um Lutz?», fragte sie schließlich vorsichtig, nachdem sie Elisabeth Zeit gelassen hatte, die glänzenden Perlen an ihren Ohren gehörig zu

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