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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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drückten Verwunderung aus.
    Henrika wandte sich ab, stolperte zum Fenster, erreichte es jedoch nicht rechtzeitig. Ihr Körper krümmte sich; sie erbrach sich über den Fußboden. Erst als der Würgereiz sich gelegt hatte, bemerkte sie, dass ein ganzes Bündel von Barthels Papieren unter ihren Füßen raschelte. Die Blätter lagen verstreut im ganzen Raum herum. Wer auch immer hier eingedrungen war, um Barthel zu töten, musste etwas gesucht haben. Eine Skizze der Festung? Einen Brief aus der Kanzlei des Kurfürsten?
    Henrika sank auf die Knie und ließ ihren Tränen freien Lauf. Barthel war gestorben, während sie von dem Lied und seinen wundersamen Versen geträumt hatte. Warum war sie nur nicht früher aufgewacht? Warum hatte sie überhaupt geschlafen? Ihr Kopf war noch immer schwer wie Blei. Dazu kam der stechende Schmerz.
    Der Eindringling musste sie gesehen haben, als er sich durch die Stube zur Treppe schlich. Warum hatte er sie am Leben gelassen? Musste er nicht damit rechnen, dass sie erwachte und ihn ertappte? Barthel hatte nicht nach ihr gerufen, und selbst wenn, sie hatte ihn nicht gehört. Vielleicht war er einem spontanen Angriff zum Opfer gefallen, der nach einem Streit erfolgt war. Aber auch davon hatte sie nichts mitbekommen. Warum nicht? Sie konnte sich nicht erklären, was geschehen war, und doch lag nur wenige Schritte von ihr entfernt der enthauptete Leichnam eines Mannes, der wie ein Vater für sie gesorgt hatte. Barthel hatte mehr über ihre Vergangenheit gewusst, als er ihr verraten hatte. Eines Tages, daran hatte sie sich stets geklammert, hätte er sein Schweigen gebrochen. Doch nun war es zu spät. Es gab kein eines Tages mehr. Nicht für sie. Alles war so sinnlos geworden.
    Henrikas Körper brannte wie im Fieber, als sie über den Fußboden kroch und einige der Papiere zusammenklaubte. Sie wusste nicht, warum sie das tat, fühlte aber, dass sie es Barthel schuldig war, seine Berechnungen und Aufzeichnungen nicht einfach hier oben liegen zu lassen. Zuletzt nahm sie Barthels Pfeife an sich. Sie hatte ihn niemals Tabak rauchen sehen, dennoch hatte ihn das geschwungene Röhrchen so oft begleitet, dass sie es nicht übers Herz brachte, es auf den Dielen liegen zu lassen. Dann kämpfte sie sich auf die Füße und wankte benommen die Stiege hinunter. Sie musste von hier verschwinden, jemanden zu Hilfe rufen. Weit konnte der Mörder bei diesem Wetter nicht gekommen sein. Das Schneetreiben hielt schon seit Stunden an.
    Als sie vorsichtig die Tür öffnete und ihr gehetzter Blick über die schmale Brücke wanderte, rechnete sie fast damit, dass jemand dort draußen auf sie lauerte. Doch es war niemand zu sehen. Kein Mond erhellte die Nacht, und die Dächer der Häuser, die jenseits der Brücke standen, verschwanden hinter dicken Flocken, die sich in ihre Wimpern setzten und auf ihrer Nase schmolzen. Rasch trat sie die Tür hinter sich zu und hastete, ohne auf rechts oder links zu achten, über die Brücke. Beinahe glitt sie aus und konnte sich gerade noch am Torbogen festhalten. Die Schneeböen zerrten wie mit Klauen an ihr, während sich ihre Lungen schmerzhaft mit der eisigen Luft füllten. In ihrer Aufregung hatte Henrika ihr wollenes Schultertuch und die Lampe im Brückentorhaus zurückgelassen.
    Keuchend stapfte sie durch den drei Fuß hohen, knirschenden Schnee und hoffte inständig, einem spät von der Arbeit kommenden Bürger über den Weg zu laufen. Doch sie begegnete niemandem, weder ein Soldat noch ein Nachtwächter ließ sich bei diesem Wetter auf der Straße blicken. Sie blickte sich um, denn sie hatte in dem Schneetreiben fast die Orientierung verloren. Doch schließlich fand sie heraus, wohin sie gelaufen war. Sie stand vor Elisabeths Wirtshaus. Hinter den vereisten Scheiben lag der Schankraum dunkel und verlassen da. Elisabeth hatte sich längst zur Ruhe begeben und die Lichter gelöscht.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, hämmerte Henrika gegen die Tür. Die Tante war ihre Rettung. Sie würde sie nicht abweisen, mit ihr würde sie diesen entsetzlichen Albtraum überstehen.
    Doch im Haus rührte sich nichts. Henrika trat zurück und legte den Kopf in den Nacken; ihre Blicke folgten den schneebeladenen Weinranken, die sich bis zu einem Dachfenster schlängelten. Dort befand sich Elisabeths Schlafkammer. Erneut klopfte Henrika. Plötzlich sah sie im oberen Stockwerk ein Licht. Eine Luke wurde aufgestoßen, und eine Frau spähte vorsichtig hinunter auf die Gasse. Es war die

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