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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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die Richter nicht. Dann sucht niemand mehr nach dem wahren Täter.»
    «Die Leute werden sich damit zufriedengeben, wenn du in Ketten geschmiedet auf die Folter durch den Heidelberger Henker wartest», sagte Anna kopfschüttelnd. «Weil du nämlich alles gestehen wirst, sobald man dir erst die Daumenschrauben angelegt hat.»
    Henrika erschrak. Sie hatte die Nacht nicht vergessen, als die streitbare Menge vor dem Haus getobt hatte. Damals war sie dem Zorn des gemeinen Pöbels, der sie für die Veränderungen im Dorf verantwortlich gemacht hatte, mit Mühe entkommen. Nun aber war alles noch viel schlimmer gekommen. Barthel war tot. Er konnte sie nicht mehr schützen.
    «Du musst fort», drängte Anna. «Auf der Stelle. Sie dürfen dich hier nicht finden.»
    «Vermutlich hast du recht. Aber wo soll ich hin? Draußen tobt ein Schneesturm. Ich werde erfrieren, bevor ich das nächste Dorf erreicht habe.»
    Anna seufzte, doch schon im nächsten Moment hellte sich ihre Miene auf. Ein listiges Lächeln umspielte ihre Lippen. «Vom Zollhof führt doch ein kleiner Pfad über die Felder, hinaus zum Schafgarten. Gibt es dort nicht auch einen Unterschlupf für das Vieh? Warte da auf mich. Ich werde dir Kleidung, Geld und etwas zu essen bringen.»
    Henrika kannte die Hütte von früheren Streifzügen durch die Gegend. Es handelte sich um einen zugigen Verschlag mit Strohballen und einer Futterkrippe, der am Rande des Schafgartens lag, eines Geländes, das mit seinen unübersichtlichen Hecken, Bäumen und Büschen ein ideales Versteck zu bieten schien. Die Hütte stand leer, denn die Schafe waren vor dem ersten Schnee in die Stadt getrieben worden.
    Henrika schauderte bei dem Gedanken, sich dort hinaus, in die Finsternis, zu begeben, aber sie sah ein, dass ihr keine andere Wahl blieb. Vorsichtig spähte sie auf den Flur, und als von draußen nichts mehr zu hören war, floh sie aus dem Haus.
    Der Pfad, den sie einschlug, endete vor einer dicht verschneiten Hecke. Henrika kämpfte sich durch das Unterholz. Die spitzen Zweige zerkratzten ihr die Hände. Doch das war unwichtig, wenn es ihr nur gelang, den Schafgarten zu erreichen, ohne jemandem in die Arme zu laufen. Als sie die Schäferhütte erreichte, klopfte ihr Herz, als wollte es sich nie wieder beruhigen. Verzweifelt blickte sie sich um. Neben der Tür fand sie neben Hacken und Schaufeln auch eine Lampe und etwas Zunder sowie Decken aus grob gewobener Wolle, die der Schäfer offensichtlich nicht mehr hatte haben wollen. Den Grund dafür fand Henrika schnell heraus, als sie sich darin einhüllte. Die Decken stanken entsetzlich und waren zu allem Überfluss voller Ungeziefer. Doch falls der Schneesturm ihre Flucht weiter verzögern sollte, würde das Stroh allein sie nicht vor dem Erfrieren retten. Henrika hielt den Atem an und grub sich so tief sie konnte in das weiche Stroh ein. Ihr ganzer Körper schmerzte, jeder Atemzug schien ihren Brustkorb zu sprengen. Unablässig drehten sich ihre Gedanken im Kreis, und wenn es ihr einmal gelang, die Augen zuzumachen, sah sie Barthels übel zugerichtete Leiche, die in einem See aus Blut schwamm. Die Erinnerung an seine starren, kalten Augen hatte sich tief in ihr Bewusstsein gegraben. Sie würde sie niemals abschütteln können, nicht solange noch ein Atemzug in ihr war.
    Der Sturm brauste weiter; ungestüm rüttelte er an der Tür des Schäferverschlags. Von fern drangen Glockenschläge an Henrikas Ohr. Wann kam Anna endlich, um ihr Kleider und Essen zu bringen? Sie konnte sie doch nicht in der Kälte ihrem Schicksal überlassen.
    Wieder stiegen Zweifel in ihr auf. Sah ihre Flucht nicht wie das Eingeständnis von Schuld aus? Doch so, wie das Gesinde auf ihr blutverschmiertes Kleid reagiert hatte, traute man ihr offensichtlich alles zu. Auch einen heimtückischen Mord. Dass die Leute ausgerechnet sie für die Mörderin ihres Gönners halten konnten, war jedoch einfach lächerlich. Abgesehen von ihrer Kleidung, deutete nichts auf sie als Täterin hin. Sie konnte erklären, dass sie Barthels Leichnam entdeckt und berührt hatte, aber das half ihr nicht weiter. Man würde ihr den Prozess machen, wie Anna gesagt hatte. Henrika wurde übel vor Angst. Gleichzeitig begann sie sich zu fragen, wer Barthel nach dem Leben getrachtet haben könnte. Der bittere Geschmack in ihrem Mund machte sich wieder bemerkbar, reizte ihren Magen.
    Das Kräuterbier, fiel ihr ein. Es hatte so merkwürdig geschmeckt.
    Die Erkenntnis erschütterte sie so sehr, dass sie

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