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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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privaten Gemächern ihres Herrn zu suchen hatten. Die Gesindestuben befanden sich auf der anderen Seite des Zollhofes, über den Kellergewölben, und nach Einbruch der Dunkelheit hielt sich das Gesinde nur noch selten im Haus auf. Einzig die Köchin, die neben dem warmen Herd schlief, blieb im Haus. Als Henrika zur Tür schaute, blickte sie in Gesichter, die Fassungslosigkeit, aber auch stille Genugtuung widerspiegelten.
    «Sei still», schrie Anna die immer noch kreischende Köchin an und drohte ihr mit dem Finger. Augenblicklich verstummte die Frau. Anna stemmte die Hände in die Hüften und maß das Gesinde mit dem strengen Blick einer Herrin, die es gewohnt ist, faule oder geschwätzige Diener zurechtzuweisen. Dann sagte sie, an die beiden Stallknechte gewandt: «Ich habe soeben erfahren, dass euer Herr tot ist. Der Ärmste wurde hinterrücks erschlagen. Einer von euch beiden läuft sofort zur Brückentorstube, um bei dem Toten zu wachen. Er soll eine Kerze anzünden, Gebete sprechen und niemanden hinein- oder hinauslassen. Der andere verständigt sofort den Stadtrichter oder wenigstens den Gerichtsschreiber. Er soll veranlassen, dass die Glocke geläutet wird.»
    «Und was geschieht mit der Mörderin?» Die Köchin warf Henrika einen feindseligen Blick zu. «Seht ihr denn nicht das Blut an ihren Händen? Sollten wir nicht auch ein paar Wachsoldaten rufen und die Gutmeisterin einsperren, bis sie hier sind?»
    Henrika sank wie betäubt auf einen Sessel und starrte auf die Wand, an der Barthels Säbel hing. Wen nannte die boshafte Alte hier Mörderin? Das Weib verdiente eine Maulschelle. Ohne es zu wollen, warf sie den Kopf zurück und begann zu kichern. Rasch schlug sie die Hand vor den Mund, aber es war zu spät. Ihr Lachen hallte von den Wänden der Stube wider, bis es in ein langes Schluchzen überging.
    «Sie hat ihn umgebracht, die Hexe!» Der ältere der beiden Stallburschen ballte die Fäuste. «Die Gutmeisterin hatte Streit mit unserem Herrn. Ich hab’s gehört. Sie wollte nach Straßburg ausreißen, um diesem fetten Druckermeister bei der Veröffentlichung seines Teufelsblatts zu helfen. Hat sich wohl in seinen Gesellen verguckt, in diesen Schönschwätzer mit seinen weiten Pluderhosen. Vermutlich wollte sie unserem Herrn Geld abschwatzen oder ihm davonlaufen …»
    «Was fällt dir ein, so etwas zu behaupten?», rief Henrika wütend. «Bist du verrückt geworden?»
    Der Knecht musterte Henrika abschätzig. «Es wird sich noch zeigen, wer von uns beiden wahnsinnig ist, du Hure. Von nun an hält kein Baumeister mehr seine schützende Hand über dich.»
    Anna griff sofort ein, um die Dienstboten zu beschwichtigen, doch sie gab es rasch auf. Zu tief saß das Misstrauen gegen Henrika. Sie war der Dienerschaft vom ersten Tage an suspekt vorgekommen. Ihre bevorzugte Stellung im Haus des Baumeisters und ihre Leidenschaft für seine Bücher hatten ihr den Neid der übrigen Hausbewohner eingebracht. Ehe Henrika zu Wort kam, rannten die beiden Knechte schon die Treppe hinunter, um die Stadt Mannheim vom Tod des Baumeisters und der Schuld seiner Mörderin in Kenntnis zu setzen. Auch die Köchin und die Hausmägde entfernten sich eilig.
    «Was geschieht hier?» Henrika warf Anna einen angstvollen Blick zu. «So wie du mit dem Gesinde gesprochen hast, musste es ja denken, dass ich etwas mit der Sache zu tun habe. Aber das ist nicht wahr. Ich habe nichts verbrochen, und mein Rock ist nur deshalb voller Blut, weil ich Barthel gefunden und mich über ihn gebeugt habe. Jemand musste doch nachschauen, ob er noch atmete.»
    «Und? Atmete er noch?» Anna starrte mit düsterer Miene aus dem Fenster. Nur wenige Augenblicke vergingen, als vom Stadtinneren der Klang einer Totenglocke über den einsamen Zollhof hallte.
    «Unwichtig!» Anna wandte sich um und maß Henrika mit einem durchdringenden Blick. «Leider warst du heute als Einzige bei meinem Onkel am Brückentor. Verzeih mir, wenn ich so unverblümt daherrede, aber mit deinem Ruf hier im Ort steht es nicht zum Besten. Viele sehen in dir eine … nun, du weißt schon, und würden dich am liebsten aufs Schafott steigen sehen. Wärst du doch wenigstens heute wie ich zu Hause geblieben. Du musst raus aus der Stadt. Sie dürfen dich nicht finden, wenn sie kommen, um dich zu holen.»
    Henrika schüttelte entgeistert den Kopf. «Der Baumeister wurde ermordet, aber er starb nicht durch meine Hand. Wenn ich mich aus dem Staub mache, wird keiner an meine Unschuld glauben. Auch

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