Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
zu begraben, als auch schon Hufgetrappel und das Geräusch von Schritten im knirschenden Schnee zu hören waren. Die Tür schwang quietschend auf, und eine dick vermummte Gestalt schob sich ins Innere der Hütte.
    Henrika hörte ein Keuchen. Zwischen den Strohhalmen konnte sie sehen, dass es sich um einen Mann handelte, aber es war weder der Schäfer noch der Verwalter. Beide Männer waren klein, mager und von eher schmächtiger Statur. Dieser Mann verfügte über einen stattlichen Leibesumfang und war so groß, dass er seinen Kopf einziehen und sich ducken musste, um sich nicht am Dachgebälk zu stoßen.
    «Henrika», drang nun eine tiefe Flüsterstimme durch die Hütte. Sie klang tückisch. Der Mann bewegte sich lautlos wie eine Katze über den festgestampften Lehmboden, bis er mit dem Stiefelabsatz gegen die Decke stieß, die Henrika in ihrer Eile fallen gelassen hatte. Mit einem leisen Lachen ging er in die Hocke und hob sie mit Daumen und Zeigefinger auf.
    «Was sollen diese Spielchen, Henrika», sagte er, als rüge er ein ungezogenes Kind. «Ich weiß natürlich, wie gern du mit mir spielst. Erinnerst du dich an die Nacht in der Zollscheune, als du in meinem Netz gezappelt hast wie ein Hering? Damals war es genauso ungemütlich frostig wie heute, nicht wahr? Spürst du noch das Eis auf deiner nackten Schulter?» Er seufzte. «Ich fürchte nur, dieses Mal wirst du nicht so leicht davonkommen, denn es gibt keinen Festungsbaumeister mehr, der dir beistehen kann. Der ist mausetot.»
    Henrika presste die Lippen aufeinander; ihre Hand umklammerte den Stiel der Forke so fest, dass die Haut ihrer Fingerknöchel zu platzen drohte.
    Wilhelm Bunter. Ausgerechnet der Dorfschuhmacher hatte sie in ihrem Versteck aufgestöbert. Woher wusste er … Anna, natürlich. Sie hatte nie vorgehabt, Henrika zu helfen. Stattdessen hatte sie Bunter verraten, wo sie steckte.
    «Deine Freundin Anna von Neufeld lässt dich grüßen», sagte Bunter plötzlich, als habe er ihre Gedanken erraten. «Leider können wir nicht riskieren, dass du einfach davonläufst und dich dem Lauf der Gerechtigkeit entziehst. Ganz Mannheim wird morgen früh darüber sprechen, dass du deinem Liebhaber im Streit den Schädel gespalten hast. Aber keine Angst, Kindchen …» Bunter ergriff eine Schaufel, die in der leeren Futterkrippe lag, und begann damit ins Stroh zu stoßen, das zu drei großen Haufen geschichtet fast ein Drittel der Hütte einnahm.
    «Du wirst das Richtschwert des Heidelberger Henkers nicht zu spüren bekommen, das verspreche ich dir. Ich bekomme eine Menge Geld, wenn ich dir die Folter erspare und verhindere, dass du Dinge ausplauderst, die unangenehm werden könnten. Was meinst du, ist das nicht ein gutes Angebot? Vorher könnten wir noch ein wenig Spaß haben. Das wird dir besser gefallen, als wenn dein alter Festungsbaumeister dir die Schenkel spreizt.»
    Bunter begann, Stroh von einem der Haufen auf den Boden zu schaufeln. Als er Henrika nicht fand, wandte er sich dem nächsten zu. Strohhalme, Staub und Schafdung wirbelten in hohem Bogen durch die Luft. Zwischen seinen Füßen erklang ein erschrockenes Fiepen. Mäuse suchten aufgescheucht das Weite. Der Schuhmacher hustete keuchend, ließ sich aber nicht beirren; mit Wucht stieß er seine Schaufel in den dritten und letzten Haufen. Henrika spannte sämtliche Muskeln ihres Körpers an. Sie sah die scharfe Kante der Schaufel näher kommen und sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Wenn sie liegen bliebe, würde er sie aufspießen wie ein Brathuhn. Ihre einzige Chance war, sich zur Seite zu rollen.
    Die Schaufel verfehlte ihre Brust um weniger als eine Handbreit, doch ihr Stöhnen verriet Bunter, dass er sie aufgestöbert hatte. Es half nichts, sie musste es wagen, ihm die Stirn zu bieten. Mit einem wilden Schrei schnellte sie empor und zielte mit ihrer Forke. Damit hatte der Mann nicht gerechnet. Auch nicht damit, dass sie ausholte und ihm einen Schlag versetzte, der ihn taumeln ließ. Schreiend hetzte sie zur Tür und rüttelte an ihr.
    Bunter ging fluchend in die Knie, gab sich aber nicht geschlagen. Bevor Henrika ins Freie stürzen konnte, traf die Schaufel sie zwischen den Schulterblättern; hart schlug sie gegen den hölzernen Türrahmen. Einen Augenblick blieb ihr die Luft weg; Sterne tanzten vor ihren Augen. Der Schmerz war so heftig, dass er ihr die Tränen in die Augen trieb. Als sie sich umwandte, sah sie, wie Bunter mit geballten Fäusten auf sie zustapfte.
    «Jetzt habe ich

Weitere Kostenlose Bücher