Die Meistersinger von Nürnberg
nichts weiß von der Tabulatur.
(Die Lehrbuben springen auf und reiben sich die Hände.)
Beckmesser: Hei! Wie sich die Buben freuen!
Sachs (eifrig fortfahrend) :
Drum möcht' es Euch nie gereuen,
daß jährlich am Sankt-Johannis-Fest,
statt daß das Volk man kommen läßt,
herab aus hoher Meister Wolk'
Ihr selbst Euch wendet zu dem Volk.
Dem Volke wollt Ihr behagen;
nun dächt' ich, läg' es nah,
Ihr ließt es selbst Euch auch sagen,
ob das ihm zur Lust geschah.
Daß Volk und Kunst gleich blüh' und wachs',
bestellt Ihr so, mein' ich, Hans Sachs.
Vogelgesang: Ihr meint's wohl recht!
Kothner: Doch steht's drum faul.
Nachtigall: Wenn spricht das Volk, halt' ich das Maul.
Kothner: Der Kunst droht allweil Fall und Schmach,
läuft sie der Gunst des Volkes nach.
Beckmesser: Drin bracht' er's weit, der hier so dreist:
Gassenhauer dichtet er meist.
Pogner: Freund Sachs, was ich mein', ist schon neu:
zuviel auf einmal brächte Reu'!
(Er wendet sich zu den Meistern.)
So frag' ich, ob den Meistern gefällt
Gab' und Regel, so wie ich's gestellt?
(Die Meister erheben sich beistimmend.)
Sachs: Mir genügt der Jungfer Ausschlagstimm'.
Beckmesser: Der Schuster weckt doch stets mir Grimm!
Kothner: Wer schreibt sich als Werber ein?
Ein Junggesell' muß es sein.
Beckmesser: Vielleicht auch ein Witwer? Fragt nur den Sachs!
Sachs: Nicht doch, Herr Merker! Aus jüng'rem Wachs
als ich und Ihr muß der Freier sein,
soll Evchen ihm den Preis verleih'n.
Beckmesser: Als wie auch ich? Grober Gesell!
Kothner: Begehrt wer Freiung, der komm' zur Stell'!
Ist jemand gemeld't, der Freiung begehrt?
Pogner: Wohl, Meister! Zur Tagesordnung kehrt!
Und nehmt von mir Bericht,
wie ich auf Meisterpflicht
einen jungen Ritter empfehle,
der will, daß man ihn wähle
und heut als Meistersinger frei'. –
Mein Junker Stolzing, kommt herbei!
(Walther tritt hervor und verneigt sich.)
Beckmesser (bei Seite) :
Dacht' ich mir's doch! Geht's da hinaus, Veit?
(Laut.) Meister, ich mein', zu spät ist's der Zeit.
Schwarz und Foltz: Der Fall Soll man sich freu'n?
Die übrigen Meister Ein Ritter gar?
Vogelgesang, Moser, Eißlinger: Soll man sich freu'n?
Zorn, Kothner, Nachtigall, Ortel: Wäre da Gefahr?
Vogelgesang: Oder wär' Gefahr?
Alle Meister: Immerhin hat's ein groß' Gewicht,
daß Meister Pogner für ihn spricht.
Kothner: Soll uns der Junker willkommen sein,
zuvor muß er wohl vernommen sein.
Pogner: Vernehmt ihn wohl! Wünsch' ich ihm Glück,
nicht bleib' ich doch hinter der Regel zurück.
Tut,Meister, die Fragen!
Kothner: So mög' uns der Junker sagen:
ist er frei und ehrlich geboren?
Pogner: Die Frage gebt verloren,
da ich Euch selbst des Bürge steh',
daß er aus frei' und edler Eh':
von Stolzing Walther aus Frankenland,
nach Brief und Urkund' mir wohlbekannt.
Als seines Stammes letzter Sproß
verließ er neulich Hof und Schloß
und zog nach Nürnberg her,
daß er hier Bürger wär'.
Beckmesser: Neu Junker-Unkraut! Tut nicht gut!
Nachtigall: Freund Pogners Wort Genüge tut.
Sachs: Wie längst von den Meistern beschlossen ist,
ob Herr, ob Bauer, hier nichts beschießt:
hier fragt sich's nach der Kunst allein,
wer will ein Meistersinger sein.
Kothner: Drum nun frag' ich zur Stell':
welch Meisters seid Ihr Gesell'?
Walther: Am stillen Herd in Winterszeit,
wann Burg und Hof mir eingeschneit,
wie einst der Lenz so lieblich lacht'
und wie er bald wohl neu erwacht,
ein altes Buch, vom Ahn vermacht,
gab das mir oft zu lesen:
Herr Walther von der Vogelweid',
der ist mein Meister gewesen.
Sachs: Ein guter Meister!
Beckmesser: Doch lang' schon tot;
wie lehrt' ihn der wohl der Regeln Gebot?
Kothner: Doch in welcher Schul' das Singen
mocht' Euch zu lernen gelingen?
Walther: Wann dann die Flur vom Frost befreit
und wiederkehrt die Sommerszeit,
was einst in langer Winternacht
das alte Buch mir kundgemacht,
das schallte laut in Waldespracht,
das hört' ich hell erklingen:
im Wald dort auf der Vogelweid',
da lernt' ich auch das Singen.
Beckmesser: Oho! Von Finken und Meisen
lerntet Ihr Meisterweisen?
Das wird dann wohl auch darnach sein!
Vogelgesang: Zwei art'ge Stollen faßt' er da ein.
Beckmesser: Ihr lobt ihn, Meister Vogelgesang,
wohl weil vom Vogel er lernt' den Gesang?
Kothner: Was meint Ihr, Meister? Frag' ich noch fort?
Mich dünkt, der Junker ist fehl am Ort.
Sachs: Das wird sich bäldlich zeigen.
Wenn rechte Kunst ihm eigen
und gut er sie bewährt,
was gilt's, wer sie ihn gelehrt?
Kothner (zu Walther) :
Seid Ihr bereit, ob
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