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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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anderen Frau einen Liebesdienst erwiesen. Jetzt sucht der Mann nicht nach einer zweiten Virginia Revel. Er glaubt fest daran, seinen Vogel gefangen zu haben. Die arme kleine Frau muss in heller Verzweiflung gewesen sein, als sie diesen Brief schrieb. Der Erpresser hätte mit ihr leichtes Spiel gehabt. Jetzt dagegen befindet er sich in einer üblen Lage. Mein makelloses Vorleben macht es mir leicht, mit ihm fertig zu werden. List gegen List, mein Lieber.»
    George Lomax schüttelte immer noch den Kopf.
    «Das gefällt mir nicht», beharrte er. «Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht.»
    «Reden wir nicht mehr davon, George. Sie kamen nicht hierher, um über Erpresser zu sprechen. Weshalb also habe ich die Ehre Ihres Besuches?»
    «Ich möchte Sie um eine Gefälligkeit bitten. Sie sind doch eine Frau mit Charme.»
    «O George!»
    «Und außerdem eine intelligente Frau.»
    «Tatsächlich? Wie gut mich der Mann kennt.»
    «Meine liebe Virginia, ich möchte Sie einem jungen Mann vorstellen, der morgen in England eintrifft.»
    «Ich habe nichts dagegen, George, aber auf Ihre Verantwortung.»
    «Wenn Sie wollen, können Sie bezaubernd sein.»
    «Lieber George, ‹bezaubern› ist aber nicht mein Beruf. Es gibt Menschen, die ich gern mag – und die mich gern mögen. Aber ich weigere mich ganz entschieden, einen harmlosen Fremden für Ihre dunklen Zwecke zu umgarnen. Das tut man nicht, George, wirklich nicht. Dafür gibt es berufsmäßige Sirenen, die so etwas viel besser verstehen als ich.»
    «Das kommt gar nicht infrage, Virginia. Dieser junge Mann – übrigens ein Kanadier namens McGrath –»
    «Was steckt dahinter, George?»
    «Das braucht Sie nicht zu kümmern, Virginia.»
    «Ich kann nicht einen ganzen Abend lang meine Zauberkünste spielen lassen, ohne die Gründe dafür zu kennen.»
    «Sie haben wirklich manchmal eine eigentümliche Ausdrucksweise, Virginia. Man könnte glauben – »
    «Man könnte? – Los, George, erklären Sie sich näher.»
    «Meine liebe Virginia, die Lage in einem gewissen mitteleuropäischen Land könnte in nächster Zeit etwas gespannt werden. Es ist für uns aus Gründen, die ich Ihnen nicht näher angeben kann, erforderlich, dass sich dieser McGrath überzeugen lässt, wie wichtig die Wiederherstellung der Monarchie in Herzoslowakien für den allgemeinen Weltfrieden ist.»
    «Das Geschwätz über Weltfrieden ist Unsinn», sagte Virginia ruhig. «Aber ich bin jederzeit für Monarchie, besonders in einem so romantischen Land. Sie wollen also Herzoslowakien mit einem König beglücken, nicht wahr? Wer soll es denn sein?»
    George Lomax zögerte mit der Antwort. Die Unterredung verlief ganz anders, als er geplant hatte. Virginia war kein williges Werkzeug, das dankbar seine Anregungen befolgte, ohne peinliche Fragen zu stellen.
    «Fürst Michael», erklärte er schließlich, als er einsah, dass er um die Antwort nicht drum herumkam. «Aber verlieren Sie um Himmels willen kein Wort darüber – die Sache muss völlig geheim bleiben.»
    «Machen Sie sich nicht lächerlich, George. Alle möglichen Gerüchte kursieren bereits in den Zeitungen, und lange Artikel verherrlichen das herzoslowakische Königshaus und geben sich alle Mühe, aus dem hingerichteten Nikolaus IV. eine Kreuzung zwischen einem Heiligen und einem Helden zu machen statt eines jämmerlichen Pantoffelhelden, der sich von einer drittklassigen Tingeltangeldame umgarnen ließ.»
    «Sie haben recht, meine liebe Virginia», bemerkte George und erhob sich. «Ich hätte Ihnen nicht mit diesem Vorschlag kommen dürfen. Aber es liegt uns daran, dass unsere Kolonien die herzoslowakische Lage mit den gleichen Augen betrachten wie wir, und dieser McGrath scheint Einfluss in Zeitungskreisen zu haben. Sie sind überzeugte Monarchistin und kennen Herzoslowakien, daher hielt ich es für richtig, dass Sie den Mann kennen lernen.»
    «George, Sie sind ein entsetzlich schlechter Lügner.»
    «Virginia!»
    «Ganz schlecht! Wenn ich Ihre diplomatische Schulung besäße, hätte ich eine viel bessere Ausrede gefunden – eine, die man vielleicht sogar geglaubt hätte. Aber ich werde die Wahrheit schon noch herausbringen, mein lieber George, davon dürfen Sie überzeugt sein. Nicht ausgeschlossen, dass ich beim Wochenende auf Chimneys etwas erfahre.»
    «Chimneys – Sie gehen nach Chimneys?»
    Lomax konnte seine Beunruhigung nicht verbergen. Er hatte gehofft, Lord Caterham noch rechtzeitig zu erreichen, um ihre Anwesenheit bei der

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