Die Memoiren des Grafen
‹Cricketer› zu tun hat. Habe ihn noch nie gesehen. Muss gestern eingetroffen sein.»
«Er kam nicht mit dem Zug», bemerkte Johnson.
Johnsons Bruder war Dienstmann am Bahnhof, und Johnson wusste daher genau Bescheid über alle Ankommenden und Abreisenden.
«Wer traf gestern für Chimneys ein?», fragte der Inspektor. «Lady Eileen kam um 15 Uhr 30 mit zwei Herren, einem Amerikaner und einem jungen Offizier, beide ohne Diener. Seine Lordschaft traf um 17 Uhr 40 mit einem Ausländer ein – sicher der Mann, der erschossen wurde. Der Ausländer hatte einen Diener bei sich. Mr Eversleigh kam mit dem gleichen Zug. Mrs Revel um 19 Uhr 25, gleichzeitig mit einem anderen Ausländer. Dieser war kahlköpfig und hatte eine Hakennase. Mrs Revels Zofe kam erst um 20 Uhr 56.»
«Niemand dabei für den ‹Cricketer›?»
Johnson schüttelte den Kopf.
«Dann muss er im Wagen gekommen sein», mutmaßte der Inspektor. «Johnson, erkundigen Sie sich auf dem Rückweg danach. Dieser Herr sah sehr sonnverbrannt aus. Wahrscheinlich auch Ausländer.»
Am Portal wurden sie von einem weißhaarigen Butler hoheitsvoll empfangen.
«Seine Lordschaft erwartet die Herren», sagte der Butler. «Bitte mir zu folgen.»
Er geleitete sie zu einem kleinen, gemütlichen Raum, der Lord Caterhams Zuflucht inmitten der ihn umgebenden Pracht bildete.
«Die Polizei, Mylord, und Dr. Cartwright.»
Sichtlich erregt schritt der Lord ruhelos auf und ab.
«Ha! Inspektor – gut, dass Sie endlich kommen. Dr. Cartwright, wie geht es Ihnen? Hier ist die Hölle los!»
«Wo ist der Tote?», fragte der Arzt kurz.
«Im Ratssaal, genau wie man ihn fand. Ich erlaubte nicht, dass man etwas berührte. Nahm an, das sei wohl – hm – Vorschrift.»
«Sehr richtig, Mylord», stimmte der Inspektor eifrig bei.
Er zog Notizbuch und Bleistift hervor.
«Und wer fand den Toten? Sie selbst?»
«Um Himmels willen, nein!», rief der Lord. «Sie glauben doch nicht, dass ich immer zu dieser unchristlichen Zeit aufstehe? Nein – ein Hausmädchen entdeckte ihn. Sie soll wie besessen geschrien haben. Ich selbst hörte nichts davon. Dann wurde es mir gemeldet, und selbstverständlich stand ich sofort auf und kam herunter.»
«Sie erkannten in dem Toten einen Ihrer Gäste?»
«Jawohl, Inspektor.»
«Sein Name?»
Diese einfache Frage schien Seine Lordschaft in Verwirrung zu stürzen. Er öffnete ein paar Mal den Mund und schloss ihn wieder.
Endlich meinte er schwach:
«Sie meinen… Sie fragen, wie er hieß?»
«Ja, Mylord.»
«Nun», sagte Lord Caterham und blickte sich im Zimmer um, als ob er von irgendwoher Hilfe erwartete. «Ich glaube, sein Name war – ja, ich bin sicher – er nannte sich Graf Stanislaus.»
Das Benehmen des Lords war so auffallend, dass der Inspektor seinen Bleistift sinken ließ und ihn anstarrte. Aber in diesem Moment trat eine Störung ein, die den Lord erleichtert aufatmen ließ. Die Tür öffnete sich, und ein junges Mädchen kam herein, groß, schlank und dunkel, mit einem anziehenden Knabengesicht und sehr sicherem Auftreten: Lady Eileen Brent, Lord Caterhams älteste Tochter, ihren Freunden bekannt als Bundle. Sie nickte den Anwesenden zu und wandte sich dann an ihren Vater. «Ich habe ihn erwischt», erklärte sie.
Der Inspektor sprang auf in der Meinung, die junge Dame habe den Verbrecher auf frischer Tat gefasst, aber sogleich merkte er, dass sich ihre Wort auf etwas ganz anderes bezogen.
Lord Caterham stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
«Gott sei Dank! Was sagte er?»
«Er kommt sofort herüber. Er verlangt absolute Geheimhaltung.»
Ihr Vater machte eine ungeduldige Bewegung.
«Das ist genau der Unsinn, der von George Lomax zu erwarten war. Immerhin – er kommt, und ich kann mich aus der ganzen Affäre zurückziehen.»
Allein der Gedanke daran belebte ihn schon.
«Der Ermordete hieß also Graf Stanislaus?», beharrte der Arzt.
Ein Blick des Einverständnisses wurde zwischen Vater und Tochter gewechselt, dann erklärte Ersterer würdevoll:
«Gewiss, ich sagte es bereits.»
«Ich frage nur, weil Sie sich nicht ganz im Klaren darüber zu sein schienen», erläuterte Cartwright.
Ein leichtes Zwinkern war in seinen Augen, und Lord Caterham blickte ihn vorwurfsvoll an.
«Ich werde Sie in den Ratssaal führen», eröffnete er kurz.
Sie betraten einen riesigen, getäfelten Raum mit drei Balkontüren, die sich auf die Terrasse öffneten. Ein großer Sitzungstisch stand mitten im Raum, mehrere Eichentruhen an den
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