Die Memoiren des Grafen
Andrassy, blieb in London zurück. Nach seiner Ankunft erklärte der Fürst, müde zu sein, und zog sich in die für ihn bereitgestellten Zimmer zurück. Die Mahlzeit wurde ihm dort serviert. Er traf mit keinem der anderen Gäste zusammen. Stimmt das?»
«Es stimmt vollkommen.»
«Heute früh entdeckte ein Hausmädchen den Toten, ungefähr um 7 Uhr 45. Dr. Cartwright untersuchte die Leiche und sah, dass eine Revolverkugel den Tod verursacht hat. Es wurde aber kein Revolver gefunden, und kein Mensch im Haus scheint den Schuss gehört zu haben. Jedoch wurde die Armbanduhr des Toten durch den Fall zerschmettert und beweist, dass das Verbrechen genau um 23 Uhr 45 ausgeführt wurde. – Um welche Zeit gingen Sie gestern Abend zu Bett?»
«Wir zogen uns alle recht früh zurück. Die Gesellschaft schien nicht in Stimmung, und wir gingen etwa um halb elf nach oben.»
«Besten Dank, Lord Caterham. Nun muss ich Sie noch ersuchen, mich über Ihre Gäste zu informieren.»
«Aber ich dachte, dass der Mörder von außen kam?»
Inspektor Battle lächelte.
«So scheint es. Trotzdem muss ich wissen, wer sich im Hause aufhielt. Routinearbeit, verstehen Sie.»
«Nun, da war also Fürst Michael und sein Diener sowie Mr Isaacstein. Über die wissen Sie Bescheid. Ferner war da Mr Eversleigh –»
«Er arbeitet in meiner Abteilung», ließ George sich vernehmen.
«Und er wusste über den wirklichen Grund des Besuchs von Fürst Michael Bescheid?»
«Nein, ich glaube nicht», antwortete George hochmütig. «Ich habe es nicht für nötig erachtet, ihn in alles einzuweihen.»
«Ich verstehe. Bitte fahren Sie fort, Lord Caterham.»
«Da war noch Mr Hiram Fish –»
«Wer ist Mr Fish?»
«Ein Amerikaner – überbrachte mir ein Empfehlungsschreiben von Lucius Gott. Sie haben sicherlich von Mr Gott gehört?»
Der Inspektor lächelte zustimmend. Wem wäre der Name des Multimillionärs Lucius C. Gott nicht geläufig gewesen!
«Er wünschte meine Erstausgaben zu sehen. Mr Gotts Sammlung ist natürlich unerreichbar, aber auch ich besitze einige Schätze. Dieser Mr Fish ist ein Enthusiast. Mr Lomax hatte vorgeschlagen, ein paar Uneingeweihte einzuladen, um der Gesellschaft einen harmlosen Anstrich zu verleihen. Daher bat ich Mr Fish um sein Kommen. – Das sind alle Herren. Nur eine einzige Dame war als Gast anwesend. Mrs Revel. Sie brachte ihre eigene Zofe mit. Außerdem ist meine Tochter hier, und natürlich die beiden Kleinen mit Kindermädchen und Erzieherin, ferner das gesamte Hauspersonal.»
Lord Caterham hielt inne und atmete tief.
«Besten Dank», murmelte der Inspektor.
«Es besteht wohl kein Zweifel daran», meinte George nachdenklich, «dass der Mörder durch das Fenster eindrang?»
Battle überlegte einen Moment, ehe er langsam antwortete.
«Wir fanden Fußspuren, die zur Balkontür führten, und andere, die sich davon entfernten. Ein Wagen hielt außerhalb des Parks um 23 Uhr 40. Um Mitternacht traf im ‹Jolly Cricketer› ein junger Mann mit Auto ein und verlangte ein Zimmer. Er stellte seine Schuhe zum Putzen vor die Tür – sie waren feucht und schmutzig, so, als ob er durch das lange Gras des Parks gegangen wäre.»
«Konnte man die Schuhe nicht mit den Fußspuren vergleichen?»
«Das wurde getan.»
«Und –»
«Sie stimmen genau überein.»
«Das erledigt die Sache!», rief George aus. «Wir haben den Mörder gefunden! Dieser junge Mann – wie nannte er sich übrigens?»
«Im Gasthof gab er den Namen Anthony Cade an.»
«Dieser Anthony Cade muss sofort verfolgt und verhaftet werden!»
«Eine Verfolgung ist unnötig», sagte Inspektor Battle.
«Wieso?»
«Er ist immer noch hier.»
«Wie?»
«Eigenartig, nicht wahr?»
Colonel Melrose fixierte ihn scharf.
«Was überlegen Sie, Battle? Heraus damit!»
«Ich finde, dass es eigenartig ist, nichts weiter. Hier haben wir einen jungen Mann, der sich eiligst davonmachen sollte – aber er tut es nicht. Er bleibt ruhig hier und lässt uns Fußspuren vergleichen.»
«Und was halten Sie davon?»
«Ich weiß nicht, was ich denken soll. Und das ist ein sehr unangenehmer Zustand.»
«Glauben Sie –» begann Colonel Melrose, aber erbrach ab, als sich ein leises Klopfen an der Tür vernehmen ließ.
George erhob sich und öffnete. Tredwell stand würdevoll auf der Schwelle und wandte sich an seinen Herrn:
«Verzeihen Sie, Mylord, aber ein Herr wünscht Sie in einer äußerst dringlichen und wichtigen Angelegenheit zu sprechen – soviel ich verstand,
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