Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
wie ein Funke. Die Metallarbeit zeigte die Form eines Doppelringes, war aber durch Biegen und Drehen aus ihrer ursprünglichen Form gebracht worden.
›Sie müssen bedenken‹, sagte ich, ›daß die Partei des Königs in England noch stark war, auch nach seinem Tod; als sie schließlich fliehen mußten, haben sie wahrscheinlich viele ihrer kostbarsten Besitztümer vergraben, um sie in friedvolleren Zeiten wieder hervorzuholen.‹
›Mein Vorfahr, Sir Ralph Musgrave, war ein hervorragender Cavalier und die rechte Hand Karls II. auf der Flucht‹, sagte mein Freund.
›Oh, wirklich!‹ antwortete ich. ›Nun, das, glaube ich, ist das letzte Kettenglied, das uns noch fehlte. Ich muß Ihnen dazu gratulieren, daß Sie, wenn auch auf ziemlich tragische Weise, in den Besitz einer Hinterlassenschaft gekommen sind, die von wahrhaft großem Wert, aber wahrscheinlich noch größerer Bedeutung als kunsthistorische Rarität ist.‹
›Und was soll das sein?‹ fragte er vor Staunen atemlos.
›Es ist nichts weniger als die alte Krone der Könige von England.‹
›Die Krone!‹
›So ist es. Bedenken Sie, wie es in dem Ritual heißt. Wie lautet der Text? – Wem gehört es? – Dem, der dahingegangen ist. – Das war nach Karls Hinrichtung. Dann: Wer soll es haben? – Der, der da kommen wird. – Das war Karl II., dessen Kommen vorhergesehen wurde. Ich glaube, es gibt keinen Zweifel, daß dieses unansehnliche und formlose Diadem einstmals die Stirnen der Stuartkönige umschloß.‹
›Und wie geriet es in den Teich?‹
›Ach, das ist eine Frage, deren Beantwortung lange dauert.‹
Und dann entwickelte ich vor ihm die lange Kette aus Annahmen und Beweisen, die ich zusammengefügt hatte. Das Zwielicht war gewichen, und hell schien der Mond vom Himmel, als ich mit meiner Erzählung zu Ende gekommen war.
›Und warum hat Karl dann, als er zurückkam, die Krone nicht erhalten?‹ fragte Musgrave, während er die Hinterlassenschaft in den Leinensack steckte.
›Ja, da legen Sie den Finger auf den Punkt, den wir wohl nie werden aufklären können. Es ist wahrscheinlich, daß der Musgrave, der das Geheimnis wußte, in der Zwischenzeit gestorben war und seinem Nachkommen das Ritual hinterlassen hatte, ohne ihm, vielleicht aus Unachtsamkeit, die Bedeutung erklärt zu haben. Von da an bis auf den heutigen Tag wurde es so vom Vater auf den Sohn vererbt, bis es an den Mann gelangte, der das Geheimnis aus ihm herausholte und bei dem Unternehmen sein Leben verlor.‹
Das ist die Geschichte vom Ritual der Musgraves, Watson.
Sie haben die Krone noch in Hurlstone – obwohl es einigen Ärger mit dem Gesetz gab und sie eine stattliche Summe bezahlen mußten, ehe ihnen erlaubt wurde, sie zu behalten. Ich bin sicher, man wäre glücklich, sie Ihnen zeigen zu dürfen, wenn Sie meinen Namen erwähnten. Von der Frau hat man nie mehr etwas gehört, und es ist wahrscheinlich, daß sie England verlassen und die Erinnerung an ihr Verbrechen in ein Land jenseits des Ozeans mit sich genommen hat.«
Die Squires von Reigate
Es war, ehe sich mein Freund Sherlock Holmes von den Anstrengungen des Frühjahres 1887 erholt hatte. Die Angelegenheit mit der HollandSumatra-Company und der ungeheuren Intrige des Barons Maupertuis ist noch zu frisch in Erinnerung und auch zu eng mit der Welt der Politik und der Finanzen verknüpft, als daß sie einen geeigneten Gegenstand für diese meine Skizzen abgeben könnte. Jedoch führte dieser Fall indirekt hin zu einem ungewöhnlichen, verzwickten Problem, das meinem Freund Gelegenheit bot, den Wert einer neuen Waffe unter den vielen, mit denen er in seinem lebenslangen Kampf gegen das Verbrechen stritt, zu demonstrieren.
Wenn ich meine Notizen zu Rate ziehe, sehe ich, daß es der 14. April war, als ein Telegramm aus Lyon mich in Kenntnis setzte, Holmes liege krank im Hotel ›Dulong‹. Noch vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden befand ich mich an seinem Krankenlager und konnte mich über seinen Zustand beruhigen, da die Symptome auf nichts Schlimmes deuteten. Seine eiserne Gesundheit war unter den Anstrengungen einer sich über zwei Monate erstreckenden Nachforschung zusammengebrochen. In der Zeit hatte er nie weniger als fünfzehn Stunden pro Tag gearbeitet und war, wie er mir versicherte, mehr als einmal fünf Tage hin tereinander mit seiner Aufgabe beschäftigt gewesen. Der triumphale Erfolg konnte ihn indes vor einer körperlichen Reaktion auf die
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