Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
tot.«
»Und wer hat ihn erschossen?«
»Der Einbrecher, Sir. Und dann war er weg wie der Blitz. Er wollte gerade durch das Fenster der Speisekammer einsteigen, und William hat ihn gestellt. Er fand den Tod, weil er das Eigentum seines Herrn rettete.«
»Um wieviel Uhr?«
»In der Nacht, Sir, ungefähr um zwölf.«
»Dann wollen wir gleich mal hinübergehen«, sagte der Colonel und frühstückte gelassen weiter. »Eine schlimme Sache«, fügte er hinzu, als der Butler gegangen war. »Er ist der erste Squire in der Gegend hier und ein anständiger Kerl obendrein. Das wird ihn hart getroffen haben, denn der Mann stand seit Jahren bei ihm in Dienst und war ein guter Diener. Offensichtlich waren das dieselben Schufte, die bei Acton eingebrochen haben.«
»Und die sonderbare Sammlung stahlen«, sagte Holmes nachdenklich.
»Genau.«
»Hm. Das kann sich als die banalste Sache von der Welt herausstellen. Und dennoch: auf den ersten Blick nimmt sie sich ein bißchen seltsam aus. Oder nicht? Eine Einbrecherbande, die das flache Land unsicher macht, würde doch den Schauplatz ihrer Taten wechseln und nicht innerhalb von ein paar Tagen zweimal in derselben Gegend einsteigen. Als Sie gestern abend vorschlugen, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, ging es mir durch den Sinn, daß dies hier doch wahrscheinlich der letzte Sprengel sein müsse, dem ein Dieb oder gar mehrere Aufmerksamkeit schenken dürften. Was beweist, daß ich noch viel zu lernen habe.«
»Ich nehme an, es ist einer aus dem Umkreis am Werk«, sagte der Colonel. »In dem Falle scheint mir selbstverständlich, daß er sich an die Besitzungen von Acton und Cunningham hält, denn die sind bei weitem die größten.«
»Und die reichsten?«
»Nun, jedenfalls könnte man es annehmen; aber sie haben einige Jahre lang gegeneinander prozessiert, und das hat beide zur Ader gelassen, stelle ich mir vor. Der alte Acton erhebt Anspruch auf den halben Besetz der Cunninghams, und da haben die Advokaten kräftig zugelangt.«
»Wenn der Schurke aus der Gegend stammt, dann wird es wahrscheinlich keine Schwierigkeiten bereiten, ihn zur Strecke zu bringen«, sagte Holmes gähnend. »Schon gut, Watson, ich habe nicht die Absicht, mich einzumischen.«
Der Butler öffnete die Tür. »Inspektor Forrester, Sir«, meldete er.
Der Polizist, ein flotter, eifriger junger Mann, trat ins Zimmer. »Guten Morgen, Colonel«, sagte er. »Ich störe hoffentlich nicht, aber wir haben gehört, daß Mr. Holmes aus der Baker Street hier ist.«
Der Colonel machte eine Handbewegung in die Richtung meines Freundes, und der Inspektor verbeugte sich.
»Wir dachten, daß Sie vielleicht gern hinkommen möchten, Mr. Holmes.«
»Das Schicksal ist gegen Sie, Watson«, sagte Sherlock Holmes lachend. »Wir sprachen gerade von der Angelegenheit, Inspektor, bevor Sie hereinkamen. Können Sie uns vielleicht mit ein paar Einzelheiten dienen?« Als er sich in der mir vertrauten Weise im Sessel zurücklehnte, wußte ich, er war ein hoffnungsloser Fall.
»Bei Acton haben wir keine Spur. Aber jetzt gibt es viel, woran wir uns halten können. Zweifellos war es ein und derselbe Kunde. Der Mann wurde gesehen.«
»Ah!«
»Ja, Sir. Aber nach dem Schuß, der den armen William Kirwan tötete, ist er davongestoben wie ein Hirsch. Mr. Cunningham sah ihn vom Schlafzimmerfenster, und Mr. Alec Cunningham hat ihn vom hinteren Korridor aus gesehen. Es war Viertel vor zwölf, als der Überfall stattfand. Mr. Cunningham war soeben zu Bett gegangen, und Mr. Alec saß im Schlafrock und rauchte noch eine Pfeife. Beide hörten, wie der Kutscher um Hilfe rief, und Mr. Alec lief nach unten, um nachzusehen, was los war. Die Hintertür stand offen, und bereits von der Treppe her erblickte er zwei Männer, die draußen miteinander rangen. Einer feuerte einen Schuß ab, der andere sank zu Boden, und der Mörder rannte in den Garten und sprang durch die Hecke. Mr. Cunningham beobachtete aus seinem Fenster, wie der Fliehende die Landstraße erreichte, hat ihn dann aber aus den Augen verloren. Mr. Alec blieb bei dem Sterbenden, um zu helfen, und so konnte der Schurke entkommen. Außer den Angaben, daß er mittelgroß war und dunkel gekleidet, besitzen wir keinen Hinweis, aber wir betreiben die Untersuchungen energisch, und wenn es ein Fremder ist, werden wir ihn bald haben.«
»Was hatte dieser William draußen zu suchen? Hat er noch etwas gesagt, ehe
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