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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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daß ich mich geirrt hatte.
      ›Es gibt hier wohl einen Keller?‹ fragte ich.
      ›Ja, und der ist so alt wie das Haus. Da, durch diese Tür.‹
      Wir gingen eine gewundene Steintreppe hinab, und mein Begleiter zündete mit einem Streichholz eine Laterne an, die auf einem Faß in einer Ecke stand. Sofort wurde offensichtlich, daß wir am Ende doch an den richtigen Ort gekommen und auch, daß wir nicht die einzigen waren, die ihn in der letzten Zeit aufgesucht hatten. Der Keller diente als Holzlager, und die Scheite waren immer einfach auf den Boden geschüttet worden; aber nun hatte man sie an den Wänden hochgestapelt, um die Mitte freizubekommen. Dort lag eine große schwere Steinplatte mit einem verrosteten Eisenring, an dem ein dickes wollenes Halstuch befestigt war.
      ›Bei Gott!‹ rief mein Klient, ›das ist Bruntons Halstuch! Ich habe es an ihm gesehen, das könnte ich beschwören. Was hatte der Schurke hier zu schaffen?‹
      Auf meinen Vorschlag wurden ein paar Männer von der Polizei herbeigerufen; dann versuchte ich den Stein anzuheben, indem ich an dem Halstuch zog. Ich konnte ihn nur wenig bewegen, und erst mit der Hilfe eines der Konstabler gelang es mir schließlich, ihn beiseite zu schieben. Ein schwarzes Loch gähnte; wir guckten alle hinein, während Musgrave mit der Laterne niederkniete.
      Eine kleine Kammer, ungefähr sieben Fuß tief und vier Fuß lang und breit, lag offen vor unseren Blicken. An einer Seite stand ein viereckiger, mit Messingbändern beschlagener Holzkasten, aus dessen Schloß ein merkwürdiger altertümlicher Schlüssel ragte; der Deckel war hochgeklappt. Außen war der Kasten von einer dicken Staubschicht überzogen, und Feuchtigkeit und Würmer hatten das Holz zerfressen, so daß auf den Innenseiten ein wahrer Pilzsegen sproß. Mehrere Metallscheibchen – anscheinend alte Münzen –, wie ich sie hier habe, lagen über den Boden des Kastens verstreut, aber sonst enthielt er nichts.
      In diesem Augenblick dachten wir aber nicht weiter nach über den alten Kasten; unsere Augen wurden von etwas, das neben ihm kauerte, angezogen: Es war ein mit einem schwarzen Anzug bekleideter Mann, der auf den Unterschenkeln hockte, dessen Stirn auf dem Rande des Kastens lag und der mit den Armen die Seitenwände umklammerte. In dieser Stellung war dem Mann alles stockende Blut ins Gesicht getreten, und niemand hätte diese verzerrten leberfarbenen Züge wiedererkennen können; aber seine Größe, die Kleidung und das Haar genügten meinem Klienten, als wir den Körper hochgezogen hatten, zu der Feststellung, daß es sich tatsächlich um den ver schwundenen Butler handelte. Er war schon mehrere Tage tot, hatte aber keine Wunde oder Quetschung, die hätte erklären können, auf welche Weise sein furchtbares Ende eingetreten war. Als man ihn aus dem Keller forttrug, standen wir noch immer vor einem Problem, das genauso schrecklich war wie jenes, mit dem wir begonnen hatten.
      Ich gestehe, Watson, daß ich bis dahin von meinen Untersuchungen sehr enttäuscht gewesen war. Ich hatte damit gerechnet, daß die Sache in dem Moment geklärt sein würde, da ich den Ort, auf den das Ritual anspielte, gefunden hätte. Aber nun war ich anscheinend von dem Wissen darüber, was die Familie mit einer derartigen Sorgfalt und Vorsicht verborgen hatte, genauso fern wie zuvor. Es ist wahr, ich hatte Bruntons Schicksal aufgehellt, aber nun blieben die Umstände zu ermitteln, unter denen sich dieses Schicksal vollendet und welche Rolle die verschwundene Frau gespielt hatte. Ich hockte mich auf ein Faß in der Ecke und überdachte die ganze Angelegenheit gründlich.
      Sie kennen mein Vorgehen in solchen Fällen, Watson: Ich versetze mich an die Stelle des betreffenden Mannes, und nachdem ich seine geistigen Fähigkeiten abgeschätzt habe, versuche ich mir vorzustellen, wie ich selber unter den gegebenen Umständen gehandelt haben würde. In diesem Fall war das verhältnismäßig einfach, weil Brunton einen erstklassigen Verstand besaß; es war also unnötig, irgendwelche Ausgleiche vorzunehmen, zu denen die Astronomen bei ihren Be rechnungen gezwungen sind. Er wußte, daß etwas Wertvolles verborgen war. Er hatte den Ort ausfindig gemacht. Er fand, daß der Stein, der es bedeckte, zu schwer war für einen Mann ohne Beistand. Was würde er als nächstes tun? Von außerhalb konnte er, selbst wenn er jemanden gewußt hätte, dem er vertrauen konnte, Hilfe nicht holen, ohne Türen

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