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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gegeben haben, haben das Leben des Staatsanwalts gerettet.«
    »Unsere Informationen?«, fragte Linda.
    »Ja.« Sie erklärte, dass sie die Absicht des Killers vor allem aus zwei Gründen vorausgeahnt hatte – weil Pell so drastisch darauf reagierte, wenn man ihn auslachte, und weil er Verkleidungen nutzte.
    Rebecca schüttelte den Kopf. Ihre ausdrucksvollen Lippen waren schmal. »Doch wie mir aufgefallen ist, konnte er Ihnen trotzdem entkommen«, sagte sie.
    Sam war peinlich berührt, dass Rebecca sich so abschätzig äußerte. Es erstaunte sie stets von Neuem, wie manche Leute ohne zu zögern Kritik anbrachten oder beleidigend wurden, auch wenn dazu gar keine Veranlassung bestand.
    »Das konnte er«, räumte Dance ein und sah der größeren Frau in die Augen. »Wir waren nicht rechtzeitig da.«
    »Der Nachrichtensprecher hat behauptet, Reynolds habe selbst versucht, ihn festzunehmen«, sagte Rebecca.
    »Stimmt«, bestätigte Kellogg.
    »Dann ist er vielleicht schuld daran, dass Pell fliehen konnte.«
    Dance hielt ihrem Blick mühelos stand. Sam beneidete sie um diese Fähigkeit. Ihr Mann sagte oft: »He, was ist denn los? Sieh mich an.« Es schien, dass ihr achtzehn Monate alter Sohn der einzige Mensch auf der Welt war, dem sie in die Augen schauen konnte.
    »Mag sein«, sagte Dance zu Rebecca. »Aber Pell stand mit einer Pistole vor seiner Tür. James hatte kaum eine andere Wahl.«
    Rebecca zuckte die Achseln. »Dennoch. Er ist allein, und Sie sind so viele.«
    »Komm schon«, wandte Linda ein. »Die Polizei tut ihr Möglichstes. Du kennst doch Daniel. Er plant alles mit ein, man kann ihn unmöglich überrumpeln.«
    »Nein, Sie haben recht, Rebecca«, sagte Kellogg. »Wir müssen uns mehr anstrengen. Wir sind in der Defensive. Aber wir werden ihn erwischen, das verspreche ich.«
    Samantha bemerkte, dass Kellogg kurz zu Kathryn Dance sah, und dachte: Verdammt, er will mit ihr anbandeln; der Begriff stammte aus einem der unzähligen altmodischen Bücher, die sie als Mädchen jeden Sommer verschlungen hatte. Und die Beamtin? Hm, könnte sein. Sam war sich nicht sicher. Aber sie hielt sich nicht lange damit auf, über das Liebesleben zweier Leute nachzudenken, die sie erst seit einem Tag kannte. Die beiden gehörten zu einer Welt, die sie so schnell wie möglich hinter sich zurücklassen wollte.
    Rebecca ließ sich erweichen. »Nun ja, da Sie ihn diesmal mit unserer Hilfe fast gekriegt hätten, schaffen wir es beim nächsten Mal womöglich, dass Sie fünf Minuten früher da sind.«
    Dance nickte. »Dafür vielen Dank. Und für alles andere. Wir wissen es wirklich zu schätzen. Noch ein paar Kleinigkeiten: Zu Ihrer Sicherheit habe ich draußen einen weiteren Deputy postiert. Es besteht kein Grund zu der Vermutung, Pell könnte ahnen, dass Sie hier sind, aber ich dachte mir, es kann nicht schaden.«
    »Soll mir nur recht sein«, sagte Rebecca.
    Dance sah auf die Uhr. Es war zweiundzwanzig Uhr fünfzehn. »Ich schlage vor, wir machen für heute Schluss. Falls Ihnen irgendetwas zu Pell oder dem Fall einfällt, worüber Sie reden möchten, kann ich in zwanzig Minuten hier sein. Andernfalls sehen wir uns morgen früh wieder. Sie müssen erschöpft sein.«
    »Das haben Familientreffen nun mal so an sich«, sagte Samantha.
     
    Jennie parkte hinter dem Sea View Motel und schaltete den Motor des Toyotas aus. Daniel Pell rührte sich nicht. Er fühlte sich wie betäubt, und alles wirkte surreal: die gespenstischen Auren der Straßenlaternen im Nebel, das langsame Plätschern der Wellen am Strand des Asilomar.
    Eine Alternativwelt, wie aus irgendeinem verrückten Film, den die Häftlinge in Capitola sich ansahen und dann noch monatelang darüber redeten.
    Alles nur wegen des sonderbaren Vorfalls beim Haus des Staatsanwalts.
    »Geht es dir gut, Schatz?«
    Er sagte nichts.
    »Es gefällt mir nicht, wenn dich etwas bedrückt.« Sie legte ihm eine Hand auf das Bein. »Tut mir leid, dass dein Plan nicht funktioniert hat.«
    Er dachte an den Moment vor acht Jahren, während des Croyton-Prozesses, als er seine blauen, eiskalten Augen auf den Anklagevertreter James Reynolds gerichtet hatte, um den Mann einzuschüchtern und aus dem Konzept zu bringen. Aber Reynolds hatte ihm nur einen kurzen Blick zugeworfen und gekichert. Dann hatte er sich mit einem Zwinkern den Geschworenen zugewandt.
    Und die hatten auch gelacht.
    All seine Mühe war umsonst gewesen, der Bann war gebrochen. Pell hatte felsenfest geglaubt, er könne einen Freispruch

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