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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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versuchten beide, Sam dazu zu bringen, von sich zu erzählen. Sie zögerte. Sie wollte nicht, dass irgendjemand, am wenigsten diese Frauen, auch nur den geringsten Anhaltspunkt über ihr Leben als Sarah Starkey erhielt. Falls der Schwindel aufflog, würde Ron sie verlassen. Das stand für sie fest. Schon als sie unter Tränen die vermeintliche Unterschlagung »gestanden« hatte, war er für einige Monate auf Abstand gegangen; falls er erfuhr, dass sie mit Daniel Pell zu tun gehabt und ihren Mann all die Jahre belogen hatte, würde er sofort seine Sachen packen und das gemeinsame Kind mitnehmen, das stand außer Zweifel.
    Linda hielt ihr noch einmal den Teller mit den Keksen hin.
    »Nein danke«, sagte Samantha. »Ich bin voll. Ich habe seit einem Monat nicht mehr so viel zu Abend gegessen.«
    Linda setzte sich neben sie und aß einen halben Keks. »Übrigens, Sam, bevor du hier warst, haben wir Kathryn von diesem Osteressen erzählt. Unserem letzten gemeinsamen Fest. Erinnerst du dich noch daran?«
    »Ob ich mich daran erinnere? Es war fantastisch.«
    Es war tatsächlich ein herrlicher Tag gewesen, dachte Sam. Die ganze Familie hatte draußen um einen Tisch gesessen, den sie und Jimmy Newberg aus Treibholz angefertigt hatten. Es gab bergeweise Essen und tolle Musik aus Jimmys komplizierter Stereoanlage, von der aus Kabel in alle Richtungen verliefen. Sie färbten Ostereier, und im ganzen Haus roch es nach warmem Essig. Sam tönte all ihre Eier blau. Wie Daniels Augen.
    Das Ende der Familie folgte nicht allzu lange danach; sechs Wochen später waren die Croytons und Jimmy tot, und die anderen landeten im Gefängnis.
    Aber dieses Ostern war gut gewesen.
    »Der Truthahn«, sagte Sam kopfschüttelnd. »Du hast ihn geräuchert, nicht wahr?«
    Linda nickte. »Etwa acht Stunden lang. In diesem Räucherofen, den Daniel mir gebaut hatte.«
    »Dem was?«, fragte Rebecca.
    »Der kleine Räucherofen hinten im Garten. Den er gebaut hat.«
    »An den Ofen kann ich mich erinnern. Aber er hat ihn nicht gebaut.«
    Linda lachte. »Doch, hat er. Ich habe ihm erzählt, so einen hätte ich mir schon immer gewünscht. Meine Eltern hatten einen, und mein Vater hat darin Schinken, Hühner und Enten geräuchert. Ich wollte ihnen immer helfen, aber ich durfte nicht. Also hat Daniel mir einen gebaut.«
    Rebecca war verwirrt. »Nein, nein... er hat ihn von dieser Frau aus unserer Straße bekommen. Wie war doch gleich ihr Name?«
    »Aus unserer Straße?« Linda runzelte die Stirn. »Du irrst dich. Er hat sich ein paar Werkzeuge geliehen und den Ofen aus einem alten Ölfass gebaut. Als Überraschung für mich.«
    »Warte, sie hieß... Rachel. Ja, das war ihr Name. Weißt du nicht mehr? Nicht unbedingt eine Schönheit – leuchtend rotes Haar, aber mit grauen Wurzeln.« Rebecca wirkte verwundert. »Die kannst du doch unmöglich vergessen haben.«
    »Ich erinnere mich an Rachel«, erwiderte Linda pikiert. »Aber was hat sie schon groß für eine Rolle gespielt?«
    Rachel war eine Kifferin gewesen, die in der Familie für schwer wiegende Misstöne gesorgt hatte, weil Pell eine Zeit lang ziemlich häufig in ihrem Haus gewesen war, um, nun ja, zu tun, was Daniel Pell am liebsten tat. Sam hatte sich nicht daran gestört – alles, was ihr Pells unangenehme Vorlieben im Schlafzimmer ersparte, konnte ihr nur recht sein. Linda hingegen war eifersüchtig gewesen. In der letzten gemeinsamen Weihnachtszeit hatte Rachel dem Haus der Familie unter einem Vorwand einen Besuch abgestattet. Daniel war gerade nicht da gewesen, und Linda hatte die Frau rausgeworfen. Als Pell davon erfuhr, hatte er versprochen, sich nicht mehr mit Rachel zu treffen.
    »Er hat den Räucherofen von ihr bekommen«, sagte Rebecca, die erst im neuen Jahr zur Familie gestoßen war und nichts von dem Eifersuchtsdrama wusste.
    »Nein, hat er nicht. Er hat ihn für mich gebaut , als Geburtstagsgeschenk.«
    Sam sah ein Unwetter heraufziehen. »Nun, wie dem auch sei, der Truthahn ist dir wirklich gut gelungen«, warf sie hastig ein. »Ich glaube, wir hatten danach noch zwei Wochen lang Sandwiches.«
    Die beiden ignorierten sie. Rebecca trank einen weiteren Schluck Wein. »Linda, er hat ihn dir an deinem Geburtstag geschenkt , weil er am Morgen bei Rachel gewesen war und ihn von ihr bekommen hatte. Irgendein Surfertyp hatte das Ding für sie gebaut, aber sie konnte nicht kochen.«
    »Er ist bei ihr gewesen?«, flüsterte Linda. »An meinem Geburtstag?«
    Pell hatte Linda versichert, er habe

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