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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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und O’Neils Teams sofort nach.
    Dann: Stille.
    Keine Schüsse, keine Schreie.
    Schließlich hörte sie Kellogg über Funk etwas sagen, doch es ging im Rauschen einer atmosphärischen Störung unter.
    »Bitte wiederholen«, drängte Dance. »Bitte wiederholen, Win. Haben Sie ihn?«
    Ein Knistern. »Negativ. Er ist weg.«
     
    Ihr Daniel war brillant, ihr Daniel wusste alles.
    Als sie von dem Motel wegfuhren – zügig, aber nicht schneller als erlaubt -, drehte Jennie Marston sich um.
    Noch keine Streifenwagen, keine Signallichter, keine Sirenen.
    Engelsgesänge, dachte sie bei sich. Engelsgesänge, beschützt uns.
    Ihr Daniel war ein Genie.
    Vor zwanzig Minuten, als sie gerade miteinander schlafen wollten, war er plötzlich erstarrt und hatte sich im Bett aufgesetzt.
    »Was ist denn, Schatz?«, hatte sie sich besorgt erkundigt.
    »Das Zimmermädchen. Haben die schon jemals angerufen und nachgefragt, wann sie ins Zimmer dürfen?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Und warum ausgerechnet heute? Außerdem ist es noch früh. Falls überhaupt, würden sie sich später melden. Jemand wollte wissen, ob wir hier sind. Die Polizei! Zieh dich an. Sofort.«
    »Du willst...«
    »Zieh dich an!«
    Sie sprang aus dem Bett.
    »Schnapp dir, was du kannst. Denk an deinen Computer, und lass keine persönlichen Gegenstände hier.« Er warf Kleidung und ein paar andere Sachen in eine Reisetasche. Dann sah er aus dem Fenster, ging zu der Tür, die sie mit dem Nachbarzimmer verband, und trat sie mit erhobener Pistole ein. Die beiden jungen Männer dort schreckten hoch.
    Zuerst dachte Jennie, er würde sie töten, aber er befahl ihnen lediglich, sie sollten aufstehen und sich umdrehen. Dann fesselte er sie mit Angelschnur und klebte ihnen mit Isolierband die Münder zu, nachdem er Waschlappen hineingestopft hatte. Er nahm ihre Brieftaschen und sah die zwei drohend an. »Ich kenne eure Namen und Adressen. Ihr bleibt hier und verhaltet euch ruhig. Falls ihr auch nur ein Sterbenswörtchen zu jemandem sagt, sind eure Familien tot. Verstanden?«
    Die beiden nickten. Daniel schloss die Zwischentür und blockierte sie mit einem Stuhl. Dann schüttete er die Kühl-und Zubehörboxen der Angler aus und verstaute seine und Jennies Taschen darin. Sie zogen die gelben Regenmäntel der Männer an, setzten sich Baseballmützen auf und verließen mit der Ausrüstung und den Angelruten das Zimmer.
    »Sieh dich nicht um. Geh direkt zu unserem Wagen. Aber langsam.« Sie gingen quer über den Parkplatz. Daniel ließ sich mit dem Beladen des Fahrzeugs einige Minuten Zeit und versuchte, ganz zwanglos zu wirken. Dann stieg er ein und fuhr los. Jennie hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Vor lauter Nervosität wäre sie fast in Tränen ausgebrochen.
    Aber sie war auch erregt. Das musste sie zugeben. Die Flucht war ein absoluter Höhepunkt gewesen. Sie hatte sich noch nie so lebendig gefühlt wie während der Fahrt weg vom Motel. Sie dachte an ihren Ehemann, ihre Freunde, ihre Mutter... nichts von dem, was sie mit denen erlebt hatte, kam ihrem gegenwärtigen Gefühl auch nur halbwegs nahe.
    In Gegenrichtung rasten vier Polizeiwagen an ihnen vorbei. Ohne Sirenen.
    Engelsgesänge ...
    Das Stoßgebet funktionierte. Mittlerweile waren sie Meilen von dem Motel entfernt, und niemand verfolgte sie.
    Schließlich lachte er und atmete tief durch. »Na, was sagst du nun, Liebling?«
    »Wir haben es geschafft, Schatz!« Sie jauchzte laut und schüttelte wild den Kopf hin und her, als wäre sie bei einem Rockkonzert. Dann presste sie ihre Lippen an seinen Hals und biss ihn spielerisch.
    Wenig später bogen sie auf den Parkplatz des Butterfly Inn ein, eines kleinen, schäbigen Motels an der Lighthouse Avenue, der größten Einkaufsstraße von Monterey. »Besorg uns ein Zimmer«, sagte Daniel. »Wir werden hier bald fertig sein, aber es könnte noch bis morgen dauern. Und miete den Raum gleich für eine Woche, das sieht weniger verdächtig aus. Wieder ziemlich weit hinten. Vielleicht in dem Haus da drüben.«
    Jennie checkte ein und kam zurück zum Wagen. Pell trug das Gepäck ins Haus.
    Dann legte er sich auf das Bett und verschränkte die Hände im Nacken. Sie kuschelte sich an ihn. »Wir werden uns hier verstecken müssen. Ein Stück die Straße hinauf ist ein Supermarkt. Hol uns etwas zu essen, ja, Liebling?«
    »Und neues Haarfärbemittel?«
    Er lächelte. »Keine schlechte Idee.«
    »Darf ich ein Rotschopf sein?«
    »Von mir aus auch grün. Ich liebe dich so oder so.«
    Gott,

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