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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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rodete eigenhändig eine kleinere Stelle und baute sich eine Hütte. Dies sollte eines Tages die Keimzelle seines Königreichs sein, das Dorf, zu dem der Rattenfänger die Kinder führen würde.
    Angesichts seiner Vorgeschichte und Neigung zum Verbrechen musste Pell jedoch sicherstellen, dass die Liegenschaft unsichtbar blieb – nicht für die mordlüsternen Minderheiten, sondern für die Strafverfolgungsbehörden. Er kaufte Bücher, in denen stand, wie man die Eigentumsverhältnisse von Grundbesitz verschleiert, verfasst von irgendwelchen Einsiedlern oder rechtsgerichteten, regierungsfeindlichen Randgruppen. Es war überraschend einfach, vorausgesetzt man sorgte dafür, dass die Grundsteuer bezahlt wurde (dazu benötigte man lediglich eine Treuhandgesellschaft und ein Sparkonto). Einmal eingerichtet, lief alles automatisch, was Daniel Pell ganz besonders gelegen kam; er blieb unabhängig.
    Pells Berggipfel.
    Nur ein kleines Problem hatte es zwischendurch gegeben. Nachdem er und ein Mädchen namens Alison, das er aus San Francisco kannte, dorthin getrampt waren, war er zufällig einem Kerl über den Weg gelaufen, der für das Steuerbüro des Bezirks arbeitete: Charles Pickering. Der Mann hatte Gerüchte gehört, es sei Baumaterial in die Gegend geliefert worden. Etwa ein Erschließungsvorhaben? Was eine drastische Steuererhöhung bedeutet hätte? Das allein wäre nicht schlimm gewesen; Pell hätte das Konto einfach entsprechend aufgestockt. Aber wie es das Schicksal so wollte, hatte Pickering Verwandte in Marin County und erkannte Pell, weil in der örtlichen Zeitung über seine Verhaftung nach einem Einbruch berichtet worden war.
    »He, Sie hab ich doch schon mal gesehen«, sagte der Angestellte.
    Was seine letzten Worte sein sollten. Pell zog sein Messer, und dreißig Sekunden später lag Pickering als blutiger Haufen Fleisch tot am Boden.
    Nichts würde seine Enklave gefährden.
    Er war mit dem Mord davongekommen, obwohl die Polizei ihn lange festgehalten hatte – lange genug, dass Alison beschloss, sich von ihm zu trennen und wieder nach Süden zu ziehen. (Seitdem suchte er nach ihr; sie würde natürlich sterben müssen, denn sie wusste, wo sein Grundbesitz lag.)
    Der Berggipfel war das, was ihm Kraft gab, als er nach San Quentin und später nach Capitola kam. Er träumte ständig davon, dort mit einer neuen Familie zu leben. Es war der Antrieb für ihn gewesen, sich juristische Kenntnisse anzueignen und im Fall Croyton einen stichhaltigen Revisionsantrag einzureichen, von dessen Erfolg er überzeugt war. Die Urteile würden gemildert werden und mit der bereits verbüßten Zeit vielleicht sogar schon abgegolten sein.
    Doch letztes Jahr hatte er verloren.
    Und anfangen müssen, einen Fluchtplan zu schmieden.
    Inzwischen war er frei, und sobald er hier in Monterey fertig war, würde er so schnell wie möglich zu seinem Berg fahren. Als dieser Idiot von Aufseher ihn letzten Sonntag in das Büro gelassen hatte, war es Pell gelungen, mit Hilfe der Internetseite Visual-Earth einen Blick auf den Ort zu werfen. Zwar kannte er die Koordinaten seines Grundstücks nicht hundertprozentig, aber er hatte es trotzdem irgendwie hinbekommen. Und erfreut festgestellt, dass die Gegend so verlassen wie eh und je zu sein schien, ohne ein Gebäude in meilenweitem Umkreis – die Höhlen blieben dem neugierigen Auge des Satelliten verborgen.
    Nun im Sea View Motel erzählte er Jennie von dem Ort – ganz allgemein, natürlich. Es war gegen seine Natur, zu freimütig zu sein. Zum Beispiel verschwieg er ihr, dass sie nicht die einzige Frau sein würde, die dort wohnte. Und er durfte sie selbstverständlich nicht wissen lassen, wie er sich das gemeinsame Leben auf dem Berggipfel vorstellte. Pell wusste, welche Fehler er vor zehn Jahren in Seaside begangen hatte. Er war zu nachsichtig gewesen, hatte zu sehr gezögert, Gewalt anzuwenden.
    Diesmal würde jede Art von Bedrohung ausgeschaltet werden. Schnell und rücksichtslos.
    Absolute Kontrolle ...
    Aber Jennie war zufrieden – sogar begeistert – über die Fakten, die er ihr mitteilte. »Glaub mir, Schatz, mit dir gehe ich überallhin...« Sie nahm ihm die Kaffeetasse aus der Hand und stellte sie beiseite. Dann lehnte sie sich auf dem Bett zurück. »Schlaf mit mir, Daniel. Bitte.«
    Schlaf mit mir , registrierte er. Nicht fick mich .
    Es war ein Hinweis darauf, dass seine Schülerin eine neue Stufe erreicht hatte. Das ließ den Ballon in seinem Innern anwachsen, mehr noch als der

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