Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
So gingen sie mit klirrenden Ketten fünfzehn Meter einen düsteren Korridor entlang und weiter zu Verhörraum A.
    Der Aufseher öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.
    Nagle hielt inne.
    An einem Tisch vor ihm saß Theresa Croyton, die Schlafpuppe, und sah ihn aus dunklen Augen an. Der Wärter stieß ihn voran, und Nagle nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz.
    »Noch mal hallo«, sagte er.
    Das Mädchen musterte seine Arme, Gesicht und Hände, als suche sie nach Hinweisen für eine Misshandlung. Vielleicht hoffte sie auch darauf. Sie bemerkte den Verband an seiner Hand, runzelte die Stirn und schien sich dann zu erinnern, dass er sich an dem Zaun geschnitten hatte.
    Er wusste, dass sie erst siebzehn war, aber außer ihrer hellen zarten Haut hatte sie nichts Jugendliches an sich. Nicht sie ist bei Daniel Pells Überfall gestorben, aber ihre Kindheit, dachte Nagle, und seine Wut auf den Killer wuchs noch mehr an.
    Der Wärter wich zurück, blieb aber in der Nähe. Nagle hörte, dass sein massiger Körper Geräusche schluckte.
    »Sie können uns allein lassen«, sagte Theresa.
    »Ich muss bleiben, Miss. Das ist so Vorschrift.« Er hatte ein umschaltbares Lächeln: ihr gegenüber höflich, Nagle gegenüber feindselig.
    Theresa zögerte und konzentrierte sich dann auf den Autor.
    »Erzählen Sie mir, was Sie mir im Garten sagen wollten. Über Daniel Pell.«
    »Er bleibt aus irgendeinem Grund in der Gegend um Monterey. Die Polizei hat bislang keine Erklärung dafür.«
    »Und er hat versucht, den Staatsanwalt zu ermorden, der ihn ins Gefängnis gebracht hat?«
    »James Reynolds, das stimmt.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Ja. Die Polizistin, die ich erwähnt habe, hat ihn gerettet.«
    »Wer genau sind Sie?«, fragte sie direkt und leidenschaftslos.
    »Hat Ihre Tante Ihnen denn nichts erzählt?«
    »Nein.«
    »Ich stehe seit nunmehr einem Monat mit ihr in Verbindung. Wegen eines Buches, das ich schreiben wollte. Über Sie.«
    »Über mich? Warum? Ich bin doch gar nicht von Interesse.«
    »Oh, das sehe ich anders. Ich wollte über jemanden schreiben, der durch etwas Schlimmes verletzt wurde. Wie er vorher war und wie er hinterher ist. Wie sein Leben sich verändert – und wie es ohne das Verbrechen ausgesehen haben könnte.«
    »Nein, davon hat meine Tante nie etwas gesagt.«
    »Weiß sie, dass Sie hier sind?«
    »Ja, ich hab’s ihr gesagt. Sie hat mich hergefahren. Ich durfte bisher keinen Führerschein machen.«
    Sie schaute kurz zu dem Aufseher, dann wieder zu Nagle. »Auch die Polizei hier wollte nicht, dass ich mit Ihnen rede. Aber sie konnten nichts dagegen tun.«
    »Warum sind Sie hergekommen, Theresa?«
    »Wegen dieser Polizeibeamtin, von der Sie gesprochen haben.«
    Nagle war erstaunt. »Sie meinen, es ist okay, dass sie Sie besuchen kommt?«
    »Nein«, sagte das Mädchen entschlossen und schüttelte den Kopf.
    Nagle konnte es ihr nicht verübeln. »Ich verstehe. Aber...«
    »Ich will sie aufsuchen.«
    Der Schriftsteller war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. »Sie wollen was ?«
    »Ich will runter nach Monterey und mich mit der Frau treffen.«
    »Oh, das brauchen Sie aber nicht.«
    Sie nickte energisch. »Doch, ich muss.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    Was nach Nagles Ansicht eine ebenso gute Antwort wie jede andere war.
    »Meine Tante soll mich gleich hinfahren.«
    »Und das macht sie?«
    »Oder ich nehme den Bus. Oder trampe. Sie können mitkommen.«
    »Tja, da gibt es aber ein Problem«, sagte Nagle.
    Das Mädchen runzelte die Stirn.
    Er kicherte. »Ich sitze im Gefängnis.«
    Sie sah überrascht den Wärter an. »Haben Sie es ihm denn nicht gesagt?«
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Ich habe Kaution für Sie gestellt«, sagte Theresa.
    »Sie?«
    »Mein Vater hatte eine Menge Geld.« Sie lachte auf, zwar leise, aber ungekünstelt und von Herzen. »Ich bin ein reiches Mädchen.«

...Vierundvierzig

    Es näherten sich Schritte.
    Daniel Pell hatte sofort die Pistole in der Hand.
    Er warf einen Blick aus dem billigen Motelzimmer, in dem es nach Lufterfrischer und Insektengift roch, und schob die Waffe wieder in den Hosenbund, als er sah, dass es Jennie war. Dann schaltete er den Fernseher aus und öffnete die Tür. Sie trat ein und brachte eine große, schwere Einkaufstüte mit. Er nahm sie ihr ab und stellte sie auf den Nachttisch, auf dem ein Wecker soeben 12.00 anzeigte.
    »Wie ist es gelaufen, Liebling? Hast du irgendwo Polizei gesehen?«
    »Nein.« Sie setzte die Mütze ab und rieb sich den

Weitere Kostenlose Bücher