Die Menschenleserin
Gespräch.
Samantha nahm ihre Handtasche. »Lass uns gehen.« Ihre Stimme zitterte.
Der Deputy hielt eine Hand in der Nähe seiner Pistole. Er nickte ihnen zu.
In diesem Moment traf ihn von der Seite eine Kugel in den Kopf. Noch ein Schuss – und der zweite Deputy griff sich an die Brust und sackte schreiend zu Boden. Die dritte Kugel ließ ihn verstummen. Der erste Deputy kroch auf den Wagen zu und blieb auf dem Gehweg liegen.
Linda keuchte auf. »Nein, nein!«
Es näherten sich schnelle Schritte. Daniel Pell rannte auf das kleine Haus zu.
Sam war wie gelähmt.
Dann sprang sie vor, knallte die Tür zu, legte die Kette vor und trat gerade noch rechtzeitig zur Seite, als eine weitere Kugel das Holz durchschlug. Sie lief zum Telefon.
Daniel Pell trat zweimal kräftig zu. Der zweite Tritt ließ das Schloss aufspringen, aber die Kette hielt. Die Tür öffnete sich nur wenige Zentimeter.
»In Rebeccas Zimmer!«, rief Sam, hastete zu Linda und packte ihren Arm, aber die Frau stand wie angewurzelt in der Türöffnung.
Sam nahm an, dass sie vor Schreck erstarrt war.
Doch ihr Gesicht sah überhaupt nicht verängstigt aus.
Sie riss sich von Sam los. »Daniel«, rief sie.
»Was machst du da?«, schrie Sam. »Komm schon!«
Pell trat wieder gegen die Tür, aber die Kette gab noch immer nicht nach. Sam zerrte Linda ein oder zwei Schritte weiter auf Rebeccas Zimmer zu, doch die Frau wollte einfach nicht mitkommen. »Daniel«, wiederholte Linda. »Bitte, hör mir zu. Es ist noch nicht zu spät. Du kannst dich stellen. Wir beschaffen dir einen Anwalt. Ich werde dafür sorgen, dass...«
Pell schoss sie nieder.
Er hob einfach die Waffe, zielte durch den Türspalt und schoss Linda so beiläufig in den Leib, als würde er eine Fliege totschlagen. Er wollte erneut schießen, aber Sam zog sie in das Schlafzimmer. Pell trat noch einmal gegen die Tür. Diesmal flog sie auf, krachte gegen die Wand und zerschmetterte das Bild einer Küstenlandschaft.
Sam schloss und verriegelte Rebeccas Tür. »Wir müssen sofort hier raus!«, flüsterte sie wütend. »Wir dürfen nicht warten.«
Pell drehte den Türknauf. Trat gegen die Füllung. Aber diese Tür ging nach außen auf und hielt seinen Angriffen stand.
Sam spürte ein entsetzliches Kribbeln auf dem Rücken, weil sie fürchtete, er könnte jeden Moment durch die Tür schießen und sie zufällig treffen. Sie half Linda auf die Fensterbank, stieß sie hinaus und ließ sich dann ebenfalls auf die feuchte, duftende Erde fallen. Linda wimmerte vor Schmerz und hielt sich die Seite.
Sam half ihr auf, hielt ihren Arm fest umklammert und führte sie im Laufschritt auf den Point Lobos State Park zu.
»Er hat mich angeschossen«, stöhnte Linda, noch immer erstaunt. »Es tut weh. Sieh mal... Moment, wohin wollen wir?«
Sam ignorierte sie. Sie dachte nur daran, so weit wie möglich von dem Haus wegzukommen. Wohin genau sie wollte, wusste sie auch nicht. Vor ihnen erstreckten sich mehrere Hektar bewaldetes Gebiet, schroffe Felsformationen und am Ende der Welt der aufgewühlte graue Ozean.
...Dreiundfünfzig
»Nein«, keuchte Kathryn Dance. »Nein...«
Win Kellogg brachte den Wagen neben den beiden Deputies zum Stehen, die ausgestreckt auf dem Gehweg vor der Hütte lagen.
»Sehen Sie nach den beiden«, wies Kellogg sie an, nahm sein Mobiltelefon und rief Verstärkung.
Mit der Waffe in der schwitzenden Hand kniete Dance sich neben den ersten Beamten und sah, dass er tot war. Sein Blut hatte eine riesige Lache gebildet, die etwas dunkler als der Asphalt war. Auch für den anderen Deputy kam jede Hilfe zu spät. Dance sah zu Kellogg und schüttelte den Kopf.
Er klappte sein Telefon zu und kam zu ihr.
Obwohl sie noch nie zusammen trainiert hatten, näherten sie sich der Hütte wie erfahrene Partner, achteten darauf, kein leichtes Ziel abzugeben, und behielten die halb geöffnete Tür und die Fenster im Blick. »Ich gehe rein«, sagte Kellogg.
Dance nickte.
»Sie geben mir Deckung. Achten Sie drinnen auf die Türen. Sehen Sie ständig von einer zur anderen. Er wird mit ausgestreckter Pistole hervorkommen. Halten Sie nach Metall Ausschau. Und falls da drinnen Opfer liegen, ignorieren Sie sie, bis der Laden gesichert ist.« Er berührte ihren Arm. »Das ist wichtig. Okay? Sie müssen sie auch dann ignorieren, wenn sie um Hilfe schreien. Wir können niemandem mehr helfen, falls wir verwundet werden. Oder getötet.«
»Alles klar.«
»Bereit?«
Nein, nicht im Mindesten. Aber sie
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