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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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religiös geworden bist.«
    »Du wirst mich töten.«
    »Wo ist Sam?«
    »Bitte! Du musst das nicht tun. Du kannst dich ändern.«
    »Ändern? O Linda, die Menschen ändern sich nicht. Nie, nie, nie. Du bist auch noch dieselbe Person, die ich damals unter diesem Baum im Golden Gate Park kennengelernt habe, ganz rotäugig und verschlafen. Eine Ausreißerin.«
    Linda sah auf einmal nur noch schwarzen Sand und gelbe Lichter vor sich und verlor fast das Bewusstsein. Der Schmerz ließ etwas nach. Als sie wieder zu sich kam, beugte Pell sich soeben mit seinem Messer vor. »Es tut mir leid, Baby, aber ich muss es auf diese Weise erledigen.« Eine absurde, aber aufrichtige Entschuldigung. »Es wird schnell gehen. Ich weiß, was ich tue. Du wirst kaum etwas spüren.«
    »Vater unser...«
    Er bog ihren Kopf zur Seite, sodass ihr Hals freigelegt war. Sie wollte sich wehren, schaffte es aber nicht. Der Schleier vor ihren Augen war nun vollständig gewichen, und als Pell sich mit dem Messer ihrer Kehle näherte, schimmerte die Klinge rot im Licht der tiefstehenden Sonne.
    »...der Du bist im Himmel. Geheiligt werde...«
    Und dann stürzte ein Baum um.
    Oder eine Felslawine krachte herab.
    Oder ein wütend kreischender Möwenschwarm landete.
    Daniel Pell ächzte auf und fiel auf den felsigen Boden.
    Samantha McCoy kroch vom Rücken des Killers, stand auf und prügelte mit dem dicken Ast hysterisch auf seinen Kopf und die Arme ein. Pell schien erstaunt zu sein, dass seine kleine Maus ihn attackierte, die Frau, die sonst beflissen jeden seiner Wünsche erfüllte und nie Nein sagte.
    Bis auf einmal …
    Daniel hieb mit dem Messer nach ihr, aber sie war zu schnell für ihn. Er griff nach der Pistole, die auf den Weg gefallen war. Aber der raue Ast traf ihn wieder und wieder, prallte von seinem Kopf ab und riss ihm das Ohr auf. Er schrie vor Schmerz auf. »Verflucht noch mal.« Dann kämpfte er sich auf die Beine, schlug mit der Faust zu und erwischte Samantha voll am Knie. Sie stürzte zu Boden.
    Daniel warf sich auf die Pistole und nahm sie. Dann rutschte er ein Stück zurück, rappelte sich abermals auf und schwang die Waffe in ihre Richtung. Doch Samantha rollte sich auf die Füße und ließ den Ast beidhändig niedersausen. Pell wurde an der Schulter getroffen und taumelte zurück.
    Linda fiel ein, was Daniel früher immer gesagt hatte, wenn er stolz auf eines der Familienmitglieder gewesen war: »Du bist standhaft gewesen, Liebling.«
    Sei standhaft ...
    Samantha griff erneut an.
    Aber mittlerweile stand Daniel wieder sicher auf den Beinen. Es gelang ihm, den Ast mit der linken Hand zu packen. Einen Moment lang standen die beiden sich in einem Meter Abstand gegenüber und starrten sich an, während das Stück Holz sie wie ein Stromkabel verband. Pell lächelte bekümmert und hob die Pistole.
    »Nein«, krächzte Linda.
    Auch Samantha lächelte. Und dann versetzte sie ihm plötzlich einen kräftigen Stoß und ließ den Ast los. Daniel machte einen Schritt zurück – in die Luft. Er hatte an der Kante eines steilen Felshangs gestanden, sechs Meter oberhalb eines weiteren Naturpfades.
    Er schrie auf, kippte nach hinten und stürzte die schroffen Felsen hinab.
    Linda hatte keine Ahnung, ob er tot war. Zumindest nicht im ersten Moment. Aber dann kam sie zu dem Schluss, dass er offenbar noch lebte, denn Samantha blickte nach unten, verzog das Gesicht und half Linda hoch. »Wir müssen weiter. Sofort.« Und sie führte sie in den dichten Wald.
     
    Erschöpft mühte Samantha McCoy sich ab, um Linda auf den Beinen zu halten. Ihr taten alle Knochen weh.
    Die Frau war blass, aber sie blutete kaum noch. Die Wunde musste höllisch schmerzen, doch wenigstens konnte Linda gehen.
    Ein Flüstern.
    »Was?«
    »Ich dachte, du hättest mich zurückgelassen.«
    »Auf keinen Fall. Aber er hatte die Waffe – ich musste ihn überlisten.«
    »Er wird uns töten.« Sie klang immer noch verblüfft.
    »Nein, das wird er nicht. Sei still. Wir müssen uns verstecken.«
    »Ich kann nicht mehr weiter.«
    »Unten am Wasser, am Strand, gibt es Höhlen. Wir können uns in einer davon verkriechen. Bis die Polizei kommt. Kathryn ist unterwegs. Man wird nach uns suchen.«
    »Nein, ich kann nicht. Das ist Meilen von hier.«
    »So weit ist es gar nicht. Wir können es schaffen.«
    Sie legten weitere fünfzehn Meter zurück, dann spürte Sam, dass Linda zu torkeln begann.
    »Nein, nein... Ich kann nicht mehr. Es tut mir leid.«
    Sam nahm all ihre Kraft zusammen und

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