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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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der Junge sofort.
    »Genau. Er muss bald zurück nach Washington, und ich wollte ihm dafür danken, wie gut er uns unterstützt hat.«
    Sie kam sich ein wenig schäbig vor, weil sie so großzügig andeutete, Kellogg wohne weit weg und stelle daher keine langfristige Bedrohung dar. (Und sie nahm an, dass der sensible Wes mühelos zu der voreiligen Schlussfolgerung gelangen könnte, Dance habe bereits vor, sie von Freunden und Familie loszureißen und mit ihnen von der Halbinsel in die amerikanische Hauptstadt überzusiedeln.)
    »Okay«, sagte der Junge, schnitt ein Stück Pfannkuchen ab und kaute nachdenklich darauf herum. Dance nutzte seinen Appetit als Barometer seiner Stimmung.
    »He, du mein Sohn, was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    »Opa wird liebend gern mit euch die Boote anschauen gehen.«
    »Sicher.«
    Dann stellte sie noch eine spontane Frage. »Magst du Winston denn nicht?«
    »Er ist okay.«
    »Du kannst es mir ruhig sagen.« Allmählich verging auch ihr der Appetit.
    »Ich weiß nicht... Er ist nicht wie Michael.«
    »Nein, ist er nicht. Aber es gibt nicht viele Leute wie Michael.« Den lieben Freund, der zurzeit meine Anrufe nicht erwidert. »Das heißt aber nicht, dass ich nicht mit jemandem zu Abend essen kann, oder?«
    »Mag sein.«
    Sie aßen einige Minuten lang. »Maggie kann ihn auch nicht leiden«, platzte es dann aus Wes heraus.
    »Das hab ich gar nicht gesagt! Behaupte nicht Sachen, die ich nicht gesagt habe.«
    »Hast du wohl. Du hast gesagt, er habe einen Schmerbauch.«
    »Hab ich nicht!« Doch ihre roten Wangen verrieten Dance das Gegenteil.
    Sie lächelte und legte die Gabel hin. »He, ihr beiden, hört mal. Ob ich mit jemandem zu Abend esse oder nicht oder ob ich sogar mit ihm ins Kino gehe, wird nichts bei uns ändern. Nicht unser Haus, nicht unsere Hunde, nicht unser Leben. Gar nichts. Das ist ein Versprechen. Okay?«
    »Okay«, sagte Wes. Es klang etwas halbherzig, aber er schien nicht vollkommen vom Gegenteil überzeugt zu sein.
    Doch nun war Maggie beunruhigt. »Wirst du denn nie wieder heiraten?«
    »Mags, wie kommst du denn darauf?«
    »Einfach so.«
    »Ich kann mir nicht mal vorstellen, je wieder zu heiraten.«
    »Das ist kein klares Nein«, murmelte Wes.
    Diese Reaktion war eines Verhörspezialisten würdig. Dance musste lachen. »Tja, das ist aber meine Antwort. Ich kann es mir nicht mal vorstellen.«
    »Ich will Brautjungfrau sein«, sagte Maggie.
    »Brautjungfer«, korrigierte Dance.
    »Nein, ich hab das im Fernsehen gesehen. Die heißen jetzt neuendings so.«
    »Neuerdings«, berichtigte ihre Mutter abermals. »Doch unsere Pfannkuchen werden kalt und der Eistee warm. Und vergesst nicht den Plan für Sonntag. Du musst dir etwas überlegen.«
    »Werd ich.« Wes schien beruhigt zu sein.
    Dance aß auf und war richtig stolz auf diesen kleinen Sieg: Sie war ihrem Sohn gegenüber ehrlich gewesen und hatte seine Einwilligung zu der Verabredung erhalten. Es schien kurios, aber diese Kleinigkeit wog für sie einen Großteil der Schrecken des vergangenen Tages wieder auf.
    Aus einer Laune heraus gab sie Maggies letzter Bitte doch noch nach und bestellte für jeden der Hunde ein Stück Wurst und einen Pfannkuchen, allerdings ohne Sirup. Das Mädchen servierte den beiden das Mahl im Laderaum des Pathfinder. Dylan, der Schäferhund, schlang seine Portion mit wenigen Bissen herunter, während die damenhafte Patsy die Wurst vornehm verspeiste, den Pfannkuchen dann zu einem völlig unerreichbaren Spalt hinter der Rückbank trug und ihn dort für schlechte Zeiten verstaute.
     
    Daheim verbrachte Dance die nächsten Stunden mit lästiger Hausarbeit und nahm einige Anrufe entgegen, darunter einen von Morton Nagle, der sich noch einmal dafür bedankte, was sie für seine Familie getan hatte.
    Winston Kellogg rief nicht an, was gut war (denn es hieß, dass die Verabredung noch galt).
    Michael O’Neil rief auch nicht an, was nicht so gut war.
    Rebecca Sheffields Zustand war nach der umfangreichen Operation stabil. Sie würde die nächsten sechs oder sieben Tage unter Bewachung im Krankenhaus liegen und sich später noch weiteren Operationen unterziehen müssen.
    Dance sprach eine Weile mit Martine Christensen über ihre gemeinsame Internetseite »American Tunes« und dann, nachdem alle Arbeit getan war, kam die Zeit für den Nachtisch: Popcorn, das gut zu dem süßen Abendessen passte. Dance suchte eine »Wallace und Gromit«-Videokassette heraus und spulte sie zurück. Dann gelang es ihr in

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