Die Menschenleserin
der auf dem Rücken lag und aus matten blauen Augen blicklos in den dunkelblauen Himmel starrte.
»Danke, dass du so früh aufgestanden bist«, sagte sie.
»Frühstück und Abendessen mit dir. Die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
Sie lächelte erneut. »Also, Folgendes: TJ hat endlich eine Erklärung für ›Nimue‹ gefunden, glaube ich.«
Kellogg nickte. »Das Wort, nach dem Pell von Capitola aus gesucht hat.«
»Zuerst dachte ich, es sei ein Pseudonym, dann kam ich auf die Idee, es könnte etwas mit diesem Computerspiel zu tun haben, ›Nimue‹ mit X , das gerade so beliebt ist.«
Der Agent schüttelte den Kopf.
»Offenbar spielt es heutzutage jeder. Ich hätte mich an die Experten wenden sollen – meine Kinder. Wie dem auch sei, ich hatte mir überlegt, Pell und Jimmy könnten zu den Croytons gegangen sein, um irgendeine wertvolle Software zu stehlen, und mir fiel ein, dass Reynolds mir erzählt hatte, Croyton habe all seine Forschungsergebnisse und Programme der Universität von Monterey Bay vermacht. Ich dachte, dass es in den dortigen Archiven vielleicht etwas gäbe, das Pell ursprünglich an sich bringen wollte. Aber nein, wie sich herausgestellt hat, ist Nimue etwas anderes.«
»Was denn?«
»Wir sind uns nicht ganz sicher. Ich brauche dabei deine Hilfe. TJ hat in Jennie Marstons Computer eine Datei entdeckt. Der Name war« – Dance zog einen Zettel aus der Tasche und las es ab – »Zitat: ›Nimue – Kultselbstmord in L. A.‹.«
»Und was stand drin?«
»Das ist das Problem. Er hat versucht, die Datei zu öffnen. Aber sie wird durch ein Passwort geschützt. Wir müssten sie an das CBI-Hauptquartier in Sacramento schicken, um sie knacken zu lassen, aber das würde, ehrlich gesagt, Wochen dauern. Der Inhalt ist womöglich gar nicht wichtig, doch ich würde ihn schon gern erfahren. Ich hatte gehofft, du hättest jemanden beim FBI, der die Datei etwas schneller für uns entschlüsseln könnte.«
Kellogg erzählte ihr, er kenne einen Computerfachmann bei der FBI-Dienststelle San Jose, mitten im Silicon Valley. »Falls überhaupt jemand das Ding öffnen kann, dann er. Ich schicke es noch heute an ihn.«
Sie bedankte sich und übergab ihm den Laptop, der in einer Plastiktüte steckte, an der eine Registrierkarte der Spurensicherung hing. Kellogg trug sich auf der Karte ein und stellte die Tüte neben sich ab.
Dance winkte abermals der Kellnerin. Sie selbst bekam an diesem Morgen nur ein Stück Toast hinunter, aber Kellogg bestellte sich ein komplettes Frühstück.
»Und jetzt erzähl mir von Big Sur«, sagte er. »Es soll dort sehr hübsch sein.«
»Atemberaubend«, sagte sie. »Einer der romantischsten Orte, die man sich vorstellen kann.«
Kathryn Dance war in ihrem Büro, als Winston Kellogg um siebzehn Uhr dreißig kam, um sie zu der Verabredung abzuholen. Er war leger gekleidet und passte damit gut zu Dance – beide trugen braune Jacken, helle Hemden und Jeans. Seine blau, ihre schwarz. Das Ventana war ein gehobenes Gasthaus, Restaurant und Weingut, aber sie befanden sich hier schließlich in Kalifornien. Anzug und Krawatte brauchte man lediglich in San Francisco, Los Angeles und Sacramento.
Und natürlich bei Beerdigungen, musste Dance unwillkürlich denken.
»Lass uns zuerst das Berufliche regeln.« Er öffnete seinen Aktenkoffer und gab ihr die Beweismitteltüte mit dem Computer, der im Butterfly Inn sichergestellt worden war.
»Ach, du hast es schon erledigt?«, fragte sie. »Das Geheimnis von Nimue steht also kurz vor seiner Enthüllung.«
Er verzog das Gesicht. »Leider nicht, ich bedauere.«
»Gar nichts?«, fragte sie.
»Die Datei war entweder absichtlich mit wirrem Zeug gefüllt, oder man hat sie mit einer Löschbombe versehen, sagen meine Leute.«
»Eine Löschbombe?«
»Eine digitale Sprengladung. Als TJ versucht hat, die Datei zu öffnen, hat der Inhalt sich in Grütze verwandelt. So haben die Techniker es jedenfalls genannt.«
»Grütze.«
»Eine Folge zufälliger Buchstaben und Zeichen.«
»Und man kann sie nicht wiederherstellen?«
»Nein. Und glaub mir, diese Jungs sind die besten der ganzen Branche.«
»Es wird wohl ohnehin nichts an den Fakten ändern«, sagte Dance und zuckte die Achseln. »Ich hätte nur gern alle offenen Punkte geklärt.«
Er lächelte. »Ich bin genauso. Ich hasse es, wenn es Überbleibsel gibt. So nenne ich die Dinger.«
»Überbleibsel. Ja, das passt.«
»Können wir los?«
»Einen Moment noch.« Sie stand auf und ging zur
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