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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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misstrauisch war, und mir gestanden, Sie hätten gelogen und in Wahrheit eine Tochter gehabt, die leider verstorben sei. Das ist ein verbreiteter Trick – eine Lüge zu gestehen, um eine andere dadurch zu vertuschen. Und was war die Lüge? Ihre Tochter ist zwar bei einem Autounfall umgekommen, aber die genauen Umstände haben Sie verschwiegen. Offenbar haben Sie den Polizeibericht in Seattle verschwinden lassen, denn er ist dort unauffindbar, aber TJ und ich konnten uns die Geschichte trotzdem aus diversen Quellen zusammenreimen.
    Ihre Tochter ist mit sechzehn von zu Hause weggelaufen, weil Sie und Ihre Frau sich scheiden lassen wollten, und bei einer Gruppe in Seattle gelandet, ganz ähnlich wie Pells Familie. Dort war sie ungefähr sechs Monate. Dann haben sie und drei andere Kultmitglieder gemeinschaftlich Selbstmord begangen, weil der Anführer sie wegen angeblich mangelnder Loyalität rausgeworfen hatte. Die vier haben sich mit ihrem Wagen in den Puget Sound gestürzt.«
    Der Gedanke, man könne aus der eigenen Familie verbannt werden, hat etwas ungeheuer Erschreckendes an sich ...
    »Danach sind Sie der MVCC beigetreten und haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, solche Leute aufzuhalten. Nur dass das Gesetz manchmal nicht greifen konnte und Sie es in die eigenen Hände nehmen mussten. Bevor Sie hergekommen sind, waren Sie in Chicago. Ich habe mit einem Freund bei der dortigen Polizei telefoniert. Sie sind als Kultexperte in beratender Funktion tätig gewesen. In dem Bericht steht, Sie hätten ausgesagt, der Verdächtige habe auf Sie geschossen und Sie hätten ›die Bedrohung ausschalten‹ müssen. Aber ich glaube nicht, dass er geschossen hat. Ich glaube, Sie haben ihn getötet und sich dann selbst eine Verletzung zugefügt.« Sie tippte sich an den Hals, wo er den Verband trug. »Was daraus einen Mord macht, genau wie bei Pell.«
    Sie wurde wütend. Es überkam sie ganz plötzlich, wie ein heißer Sonnenstrahl, der durch eine Lücke in der Wolkendecke fiel. Krieg dich unter Kontrolle, ermahnte sie sich. Nimm dir ein Beispiel an Daniel Pell.
    Nimm dir ein Beispiel an Winston Kellogg.
    »Die Familie des Toten hat Anzeige erstattet. Die Angehörigen behaupten, er sei in eine Falle gelockt worden. Sicher, er hatte ein langes Strafregister, ebenso wie Pell. Aber er hat nie eine Schusswaffe angerührt. Er hatte Angst vor der Strafverschärfung, die bei Einsatz einer tödlichen Waffe droht.«
    »Er hat lange genug eine angerührt, um damit auf mich zu schießen.«
    Eine kaum merkliche Verlagerung von Kelloggs Fuß. Fast unsichtbar, aber es signalisierte Stress. Demnach war er nicht vollständig immun gegen ihre Art der Befragung.
    Und seine Antwort war gelogen.
    »Wir werden mehr wissen, nachdem wir die Akten überprüft haben. Und wir stehen auch mit anderen Behörden in Verbindung, Winston. Wie es scheint, haben Sie überall im Land hartnäckig Ihre Hilfe angeboten, sobald die Polizei es mit den Straftaten eines Kults zu tun bekam.«
    Charles Overby hatte anfangs durchblicken lassen, es sei seine eigene Idee gewesen, einen Kultexperten des FBI hinzuzuziehen. Gestern Abend jedoch war Dance der Verdacht gekommen, es habe sich in Wahrheit anders verhalten, und sie hatte ihren Chef unumwunden gefragt, wie es zu Kelloggs Mitarbeit am Fall Pell gekommen war. Overby druckste eine Weile herum und gab am Ende zu, dass Kellogg sich bei Amy Grabe von der FBI-Dienstelle San Francisco gemeldet und ihr mitgeteilt hatte, er würde auf die Halbinsel kommen, um bei der Fahndung nach Pell als Berater tätig zu sein; es stand gar nicht erst zur Debatte. Und sobald der Papierkram in Chicago geregelt war, hatte er sich auf den Weg gemacht.
    »Ich habe mir den Fall Pell noch mal durch den Kopf gehen lassen. Michael O’Neil war aufgebracht, dass Sie beim Sea View Motel einen Zugriff wollten und keine Überwachung. Und ich habe mich gefragt, wieso Sie darauf bestanden haben, als Erster ins Zimmer zu stürmen. Die Antwort lautet: Damit Sie ungehindert auf Pell hätten schießen können. Und gestern am Strand beim Point Lobos Inn haben Sie ihn niederknien lassen. Und dann haben Sie ihn getötet.«
    »Das ist Ihr Beweis dafür, dass ich ihn ermordet haben soll? Seine Körperhaltung? Also wirklich, Kathryn.«
    »Die Spurensicherung des MCSO hat außerdem die Kugel gefunden, die Sie auf mich abgefeuert haben.«
    Dazu sagte er nichts.
    »Oh, Sie wollten mich nicht treffen, das weiß ich. Ich sollte bloß bleiben, wo ich war, bei Samantha

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