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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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fallen und auf Sie schießen?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie da reden.« Ohne jede Regung.
    »Und laut dem Bericht der Gerichtsmedizin ergeben die nach unten gerichteten Projektilkanäle in Pells Leib, dass der andere Schütze aufrecht gestanden und sich nicht geduckt hat. Falls das ein echter Schusswechsel gewesen wäre, hätten Sie sich in einer geduckten Verteidigungshaltung befunden... Und ich habe mich an die Abfolge der Geräusche erinnert. Zuerst ging die Blendgranate los, und dann hörte ich nach einer Verzögerung die Schüsse. Nein, ich glaube, Sie haben gesehen, wo er war, haben die Granate geworfen, sind schnell vorgestoßen und haben ihn entwaffnet. Dann ließen Sie ihn sich hinknien und haben ihm Ihre Handschellen hingeworfen, mit denen er sich fesseln sollte. Als er danach griff, haben Sie ihn erschossen.«
    »Lächerlich.«
    Sie fuhr unbeirrt fort. »Überhaupt, die Granate. Nach dem Einsatz im Sea View Motel hätten Sie sämtliches Material zurückgeben müssen. Das ist das Standardverfahren. Warum haben Sie sie behalten? Weil Sie auf eine Gelegenheit gewartet haben, sich ihn zu schnappen und ihn zu töten.« Sie hob eine Hand. »Aber ob meine Theorie nun lächerlich ist oder nicht, Pells Tod hat Fragen aufgeworfen. Und denen bin ich nachgegangen. Ich wollte mehr über Sie wissen und habe mir von einem Freund meines Mannes in der Neunten Straße Ihre Akte besorgt. Darin bin ich auf einige interessante Einträge gestoßen. Bei der versuchten Festnahme mutmaßlicher Kultführer sind Sie bereits mehrmals an Schießereien beteiligt gewesen, in deren Verlauf die Verdächtigen ums Leben gekommen sind. Und zwei Kultführer haben unter fragwürdigen Umständen Selbstmord begangen, während Sie für die jeweils zuständigen Strafverfolgungsbehörden als Berater tätig waren.
    Der Selbstmord in Los Angeles war der merkwürdigste. Eine Frau, die einen Kult geleitet hat, brachte sich durch einen Sprung aus ihrer Wohnung im fünften Stock um, nur zwei Tage, nachdem Sie eingetroffen waren, um dem LAPD behilflich zu sein. Aber komisch – bis dahin hatte niemand die Frau je von Selbstmord reden gehört. Es gab keinen Abschiedsbrief und, ja, es wurde gegen sie ermittelt, aber nur wegen Steuerhinterziehung. Kein Grund, sich gleich umzubringen.
    Also musste ich Sie testen, Winston, und habe dieses Dokument angelegt.«
    Die Datei enthielt eine gefälschte E-Mail, in der ein Mädchen namens Nimue behauptete, sie habe dem Kult der Selbstmörderin angehört und verfüge über Informationen, die belegen würden, dass die Frau nicht freiwillig aus dem Fenster gesprungen sei.
    »Ich habe mir einen Abhörbeschluss für Ihr Telefon besorgt, die Datei mit einem simplen Windows-Passwort gesichert und den Computer an Sie ausgehändigt, um zu sehen, was Sie tun würden. Falls Sie mir die Entschlüsselung der Datei und ihren Inhalt gemeldet hätten, wäre die Sache damit erledigt gewesen, und wir beide wären nun unterwegs nach Big Sur.
    Aber nein, Sie haben mit dem Techniker telefoniert, Sie haben die Datei gelesen. Es gab keine Löschbombe. Keine Grütze. Sie haben das Dokument eigenhändig vernichtet. Natürlich mussten Sie das tun. Sie haben befürchtet, wir würden mitkriegen, dass Ihr Leben in den letzten sechs Jahren daraus bestanden hat, im ganzen Land herumzureisen und Leute wie Daniel Pell zu ermorden.«
    Kellogg lachte auf. Nun gab es zum ersten Mal eine schwache kinesische Abweichung; der Tonfall war anders. Ein besonderer Verdächtiger, ja, aber er empfand allmählich Stress. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen.
    »Bitte, Kathryn. Warum, um alles in der Welt, sollte ich so etwas tun?«
    »Wegen Ihrer Tochter.« Sie sagte dies nicht ohne eine gewisse Anteilnahme.
    Und die Tatsache, dass er nicht reagierte, sondern lediglich ihrem Blick standhielt, als empfinde er großen Schmerz, war ein – wenn auch nur winziger – Hinweis darauf, dass sie sich der Wahrheit näherte.
    »Es braucht viel, um mich zum Narren zu halten, Winston. Und Sie sind sehr, sehr gut. Die einzige Abweichung von Ihrem üblichen Verhalten, die mir je aufgefallen ist, hatte mit dem Thema Kinder und Familie zu tun. Aber ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Zuerst nahm ich an, es liege an der Verbindung zwischen uns. Ich bin davon ausgegangen, Sie würden sich in Gegenwart von Kindern unbehaglich fühlen und mit der Vorstellung ringen, dass diese ein Teil Ihres Lebens werden könnten.
    Dann haben Sie vermutlich gemerkt, dass ich neugierig oder

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