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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schaute sich um. Er entdeckte einen hochgewachsenen, jungen Latino in einem Anzug – eindeutig ein Beamter in Zivil. Der Detective sprach mit einer älteren Frau, die ein Geschworenenabzeichen trug. Die beiden standen etwas abseits der anderen Leute.
    Gut.
    Nagle taxierte den Polizisten. Genau was er gesucht hatte: jung, leichtgläubig, vertrauensselig. Er ging langsam auf den Mann zu.
    Kam näher.
    Der Beamte ging weiter, ohne auf Nagle zu achten, und suchte offenbar nach anderen Zeugen, die er befragen konnte.
    Als Nagle noch drei Meter entfernt war, legte er sich den Riemen der Kamera um den Hals, öffnete den Reißverschluss der Umhängetasche und griff hinein.
    Anderthalb Meter...
    Er kam noch näher.
    Und spürte, wie eine starke Hand sich um seinen Arm schloss. Nagle keuchte auf, als sein Herz einen Sprung vollführte.
    »Halten Sie die Hände so, dass ich sie sehen kann, klar?« Der Mann war ein kleiner, nervöser Beamter des California Bureau of Investigation. Nagle las den Dienstausweis, der um seinen Hals hing.
    »He, was...«
    »Pssst«, zischte der Mann, der lockiges rotes Haar hatte. »Und die Hände? Wissen Sie noch, wo ich die haben möchte?... He, Rey.«
    Der Latino kam zu ihnen. Auch er trug einen CBI-Ausweis und musterte Nagle von oben bis unten. Gemeinsam führten sie ihn neben das Gerichtsgebäude und weckten damit die Aufmerksamkeit aller Umstehenden.
    »Hören Sie, ich weiß nicht...«
    »Pssst«, unterbrach ihn der drahtige Agent abermals.
    Der Latino filzte ihn gründlich und nickte. Dann nahm er Nagles Presseausweis von dessen Brust und zeigte ihn seinem Kollegen.
    »Hm«, sagte er. »Das Ding ist ein bisschen veraltet, meinen Sie nicht?«
    »Genau genommen schon, aber...«
    »Sir, der Ausweis ist vor vier Jahren abgelaufen«, betonte der Latino.
    »Und sagen Sie jetzt nicht, wir seien kleinlich«, fügte sein Kollege hinzu.
    »Ich muss wohl den falschen Ausweis eingesteckt haben. Ich bin Reporter beim...«
    »Wenn wir also bei dieser Zeitung anrufen, wird man uns bestätigen, dass Sie dort angestellt und in deren Auftrag unterwegs sind?«
    Falls sie bei der Zeitung anriefen, würden sie lediglich feststellen, dass die Telefonnummer nicht mehr existierte.
    »Hören Sie, ich kann alles erklären.«
    Der kleinere Beamte runzelte die Stirn. »Wissen Sie, Ihre Erklärung würde mich wirklich interessieren. Denn sehen Sie, ich habe gerade mit einem Hausmeister gesprochen, und der hat mir erzählt, dass ein Mann, auf den Ihre Beschreibung passt, gegen halb neun heute Morgen hier gewesen ist. Aber wie kann das sein? Zu diesem Zeitpunkt war doch noch niemand geflohen... Wenn man vor dem Ereignis am Ort des Geschehens ist, das nenne ich einen echten... wie heißen die Dinger, Rey?«
    »Scoop?«
    »Ja, das nenne ich einen echten Scoop. Also, bevor Sie mit dem Erklären anfangen, drehen Sie sich um und legen die Hände auf den Rücken.«
     
    In dem Besprechungsraum im ersten Stock des Gerichtsgebäudes gab TJ an Dance weiter, was er bei Morton Nagle gefunden hatte.
    Keine Waffen, keine Zündschnur, keine Lagepläne des Gerichtsgebäudes oder Skizzen von Fluchtrouten.
    Lediglich etwas Bargeld, eine Brieftasche, eine Kamera, ein Diktiergerät und ein dickes Notizbuch. Außerdem drei Sachbücher über wahre Kriminalfälle. Auf den Umschlägen stand Nagles Name, und auf die Rückseiten war sein Foto gedruckt (das ihn sehr viel jünger und sein Haar sehr viel üppiger zeigte).
    »Paperback Writer«, sang TJ, ohne den Beatles wirklich gerecht zu werden.
    In den Angaben zum Autor stand, Nagle sei »ein ehemaliger Kriegsberichterstatter und Polizeireporter, der sich in seiner schriftstellerischen Tätigkeit inzwischen ausschließlich auf das Verbrechen konzentriert. Er lebt in Scottsdale, Arizona, hat bislang dreizehn Sachbücher verfasst und bezeichnet sich als Herumtreiber, Nomade und Geschichtenerzähler.«
    »Das beweist gar nichts«, herrschte Dance ihn an. »Was haben Sie hier zu suchen? Und wieso waren Sie vor dem Brand beim Gerichtsgebäude?«
    »Ich berichte nicht über die Flucht. Ich war so früh hier, um ein paar Interviews zu führen.«
    »Mit Pell?«, fragte O’Neil. »Der gibt keine.«
    »Nein, nein, nicht mit Pell. Mit den Angehörigen von Robert Herron. Ich hatte gehört, sie würden herkommen, um vor der Grand Jury auszusagen.«
    »Was ist mit dem falschen Presseausweis?«
    »Ja, gut, es ist vier Jahre her, dass ich zuletzt für eine Zeitschrift oder Tageszeitung gearbeitet habe. Seitdem

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