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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schreibe ich nur noch Bücher. Aber ohne Presseausweis kommt man nirgendwohin. Niemand achtet je auf das Datum.«
    » Fast niemand«, berichtigte TJ ihn lächelnd.
    Dance blätterte in einem der Bücher. Es hatte den Mordfall Peterson zum Thema, der sich einige Jahre zuvor in Kalifornien ereignet hatte, und schien gut geschrieben zu sein.
    TJ blickte von seinem Laptop auf. »Er ist sauber, Boss. Zumindest hat er keine Vorstrafen. Das Foto von der Führerscheinstelle stimmt ebenfalls überein.«
    »Ich arbeite an einem Buch. Ganz regulär. Sie können es überprüfen.«
    Er nannte ihnen den Namen seiner Lektorin in Manhattan. Dance rief die Frau an und sprach mit ihr. Ihre erste Reaktion war: »Ach, herrje, was hat Morton sich nun wieder eingebrockt?«, aber sie bestätigte, dass er laut Vertrag sein nächstes Buch über Pell schreiben würde.
    »Nimm ihm die Handschellen ab«, sagte Dance zu TJ.
    »Worum geht es in dem Buch?«, wollte O’Neil von dem Autor wissen.
    »Es wird anders als alle True-Crime-Titel, die Sie bisher gelesen haben. Es dreht sich nicht um die Morde, ein solches Buch gibt es schon. Mein Buch handelt von Daniel Pells Opfern . Wie ihr Leben vor den Morden ausgesehen hat und was aus den Überlebenden geworden ist. Wissen Sie, die meisten Verbrechensberichte im Fernsehen oder in Büchern konzentrieren sich allein auf den Mörder und seine Tat – das Blut, die grausigen Einzelheiten. Das billige Zeug. Ich hasse das. Mein Buch erzählt von Theresa Croyton – dem Mädchen, das verschont geblieben ist – und den Verwandten und Freunden der Familie. Der Titel wird lauten: Die Schlafpuppe . So wurde Theresa nach der Tat bezeichnet. Außerdem gehe ich auf die Frauen in Pells sogenannter Familie ein, die Opfer seiner Gehirnwäsche. Und auch auf alle anderen Opfer Pells. Genau genommen sind es Hunderte. Ein Gewaltverbrechen ist für mich wie ein Stein, der in einen Teich fällt. Die Kreise der Konsequenzen können sich fast unendlich weit ausbreiten.«
    In seiner Stimme lag Leidenschaft; er klang wie ein Prediger. »Es gibt so viel Gewalt auf der Welt. Wir werden davon überschwemmt und stumpfen ab. Mein Gott, der Krieg im Irak? In Gaza? In Afghanistan? Wie viele Bilder von explodierten Autos und wehklagenden Müttern haben Sie gesehen, bevor Sie das Interesse verloren haben?
    Als ich Kriegsberichterstatter im Mittleren Osten, Afrika und Bosnien war, bin ich auch abgestumpft. Und man muss nicht persönlich vor Ort sein, damit das geschieht. Zu Hause im Wohnzimmer ist es das Gleiche, wenn man einfach nur die Nachrichten sieht oder sich brutale Filme anschaut – wo die Gewalt keine echten Konsequenzen hat. Doch wenn wir Frieden wollen, wenn wir wollen, dass Mord und Totschlag aufhören, ist es genau das , was die Leute erfahren müssen, die Konsequenzen nämlich. Und das macht man nicht, indem man blutige Leichen anglotzt; man beschäftigt sich mit den Lebensläufen, die durch das Böse für immer verändert worden sind.
    Ursprünglich sollte es in meinem Buch nur um den Fall Croyton gehen. Dann finde ich heraus, dass Pell noch jemanden ermordet hat – diesen Robert Herron -, und möchte alle berücksichtigen, die von diesem Todesfall betroffen sind. Und wenn ich recht verstehe, sind nun auch noch zwei Aufseher umgebracht worden.«
    Das Lächeln lag immer noch auf seinem Gesicht, aber es war ein trauriges Lächeln, und Kathryn Dance erkannte, dass sie als Mutter und Polizeibeamtin, die ständig mit Kapitalverbrechen wie Vergewaltigungen, Überfällen und Morden zu tun hatte, es ihm nachfühlen konnte.
    »Das alles ist gar nicht so einfach.« Er wies mit ausholender Geste in die Runde. »Bei einem nie aufgeklärten Fall lassen sich Opfer und Familienangehörige sehr viel schwieriger ausfindig machen. Herron wurde vor etwa zehn Jahren ermordet. Ich dachte...« Nagles Stimme erstarb, und er runzelte die Stirn, obwohl aus irgendeinem Grund seine Augen wieder zu funkeln begannen. »Warten Sie, warten Sie... O mein Gott, Pell hatte gar nichts mit dem Mord an Herron zu tun, nicht wahr? Er hat ein Geständnis abgelegt, damit man ihn aus Capitola herbringen würde und er fliehen könnte.«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Dance wohlüberlegt. »Wir ermitteln noch.«
    Nagle glaubte ihr nicht. »Hat er Beweise gefälscht? Oder jemanden veranlasst, ihn scheinbar zu denunzieren? Ich wette, so war’s.«
    »Wir möchten vermeiden, dass irgendwelche Gerüchte uns bei unseren Nachforschungen behindern«, sagte Michael

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