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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde und in diesem Moment zweifellos rot anlief. Starke Gefühlsregungen äußern sich auf diese Weise; Dance hatte im Laufe der Jahre zahlreiche Täuschungsversuche erkannt, weil Schuld-und Schamgefühle die Durchblutung des Gesichts verstärken.
    Das Gleiche gilt für Zorn.
    Amy Grabe hatte vermutlich nicht mal gewusst, dass Dance den Täter verhört hatte, geschweige denn geargwöhnt, sie habe sich dabei fahrlässig verhalten und ihm die Flucht erleichtert.
    Nun aber würde Amy – und mit ihr die gesamte FBI-Dienststelle San Francisco – mit Sicherheit diesen Verdacht hegen.
    Die CBI-Zentrale in Sacramento vielleicht ebenfalls. »Er ist aus seiner Zelle entkommen, nicht aus dem Verhörzimmer«, warf Dance unterkühlt ein.
    »Ich habe gemeint, dass Pell von Ihnen womöglich etwas erfahren hat, das er benutzen konnte, um zu fliehen.«
    Dance spürte, wie O’Neil sich anspannte. Wenn es um Kollegen ging, die noch nicht so viel Erfahrung wie er hatten, besaß der Detective einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Aber er wusste auch, dass Kathryn Dance ihre Kämpfe allein austrug. Er sagte nichts.
    Sie war wütend, dass Overby gegenüber Grabe diese Bemerkung gemacht hatte. Nun wurde ihr noch etwas klar: Deshalb hatte er gewollt, dass das CBI den Fall leitete – falls irgendeine andere Behörde übernahm, konnte das als Eingeständnis gewertet werden, das CBI sei in irgendeiner Form für die Flucht verantwortlich.
    Und Overby war noch nicht fertig. »Nun zum Thema Sicherheit... Ich bin überzeugt, alles wurde streng gehandhabt. Bei jemandem wie Pell musste es besondere Vorkehrungen geben. Ich habe zu Amy gesagt, dass Sie gewiss daran gedacht haben.«
    Da er keine Frage gestellt hatte, erwiderte Dance einfach ungerührt seinen Blick und ließ sich nicht das Geringste anmerken.
    Overby schien zu spüren, dass er zu weit gegangen war, und wandte nervös die Augen ab. »Ich bin sicher, alles hatte seine Ordnung.«
    Erneut Stille.
    »Okay, ich habe diese Pressekonferenz und muss mich der Meute stellen.« Er verzog das Gesicht. »Falls Sie noch etwas hören, lassen Sie es mich wissen. Es geht in ungefähr zehn Minuten los.«
    Er verließ den Raum.
    TJ musterte Dance von oben bis unten und sagte mit übertriebenem Südstaatenakzent: »Da hol mich doch der Teufel, also du warst das, die vergessen hat, die Stalltür zu schließen, nachdem du die Kühe befragt hattest. So konnte er entkommen. Ich hab mich schon gewundert.«
    O’Neil verkniff sich ein Lächeln.
    »Geh mir nicht auf die Nerven«, murmelte Dance.
    Sie ging zum Fenster und schaute zu den Leuten, die aus dem Gerichtsgebäude evakuiert worden waren und nun draußen warteten, weil sie wieder hineinwollten oder -mussten. »Dieser Partner macht mir Sorgen. Wo steckt er, und was hat er vor?«
    »Wer würde jemanden wie Daniel Pell aus dem Knast holen?«, fragte TJ.
    Dance erinnerte sich an Pells kinesische Reaktion, als während des Verhörs die Sprache auf seine Tante in Bakersfield gekommen war. »Ich glaube, wer auch immer ihm hilft, hat sich den Hammer bei seiner Tante besorgt. Sie heißt ebenfalls Pell mit Nachnamen. Mach sie ausfindig.« Ihr kam noch ein Gedanke. »Du hast doch einen Kumpel beim FBI unten in Chico.«
    »Ja.«
    »Ist er diskret?«
    »Wir ziehen zusammen durch die Kneipen und baggern Frauen an. Ist das diskret genug?«
    »Kann er diesen Kerl überprüfen?« Sie hielt den Zettel hoch, auf dem der Name des Kultexperten stand.
    »Ich wette, er macht mit. Er sagt immer, beim FBI gebe es mehr Intrigen und Verwicklungen als in einer durchschnittlichen Daily Soap.« TJ schrieb sich den Namen auf.
    O’Neil bekam einen Anruf und führte ein kurzes Gespräch. »Das war die Gefängnisdirektorin aus Capitola«, erklärte er dann. »Ich dachte mir, wir sollten mal mit dem Oberaufseher von Pells Zellenblock reden. Vielleicht kann er uns weiterhelfen. Er bringt außerdem den Inhalt von Pells Zelle mit.«
    »Gut.«
    »Dann gibt es da noch einen Mithäftling, der behauptet, Informationen über Pell zu haben. Sie lässt ihn holen und ruft uns zurück.«
    Dances Telefon klingelte, ein quakender Frosch.
    O’Neil hob eine Augenbraue. »Da haben Wes und Maggie sich aber Mühe gegeben.«
    Es war ein Familienspaß, genau wie die Stofftiere in der Handtasche. Die Kinder änderten den Klingelton des Telefons, wenn Dance nicht hinsah (dabei war fast alles erlaubt; die einzigen Regeln lauteten: niemals stummschalten und keine Lieder von

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