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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er war der Meisterdieb, nicht sie. Vermutlich wusste er am besten, was zu tun war, auch wenn es schwer fiel, sich das einzugestehen. Sie tat ungern, was andere von ihr verlangten. Sogar dann, wenn es zu ihrem Besten war.
    Die Treppe war aus solidem Stein. Merle ging voran und schlug im ersten Stock den Weg zu jenem Zimmer ein, das über dem Kerzenraum im Erdgeschoss lag. Dort angekommen verstand sie, was Serafin nach oben getrieben hatte.
    Ein Drittel des Fußbodens war vor langer Zeit eingestürzt. Holzbalken standen wirr und zersplittert von den Rändern ab und umrahmten eine weite Öffnung in der Mitte des Zimmers. Von unten fiel Kerzenschein herauf. Leise Stimmen waren zu hören. Ihr Tonfall klang unsicher und eingeschüchtert, auch wenn Merle die genauen Worte nicht verstehen konnte.
    »Drei Männer«, wisperte Serafin ihr ins Ohr. »Alle drei Stadträte. Hohe Herren.«
    Merle spähte über den Rand. Sie spürte, wie die Wärme des Lichts an ihren Zügen emporkroch. Serafin hatte Recht. Die drei Männer, die dort unten bei Kerzenschein beieinander standen, trugen die langen Roben der Ratsmitglieder, golden und purpur und scharlachrot.
    In ganz Venedig gab es keine höhere Instanz als die Ratsherren. Seit der Invasion des Imperiums und dem Abbruch aller Kontakte zum Festland oblag ihnen die Entscheidungsbefugnis in sämtlichen Angelegenheiten der belagerten Stadt. Sie hielten alle Macht in Händen und unterhielten den Kontakt zur Fließenden Königin - zumindest behaupteten sie das. Nach außen hin gaben sie sich weltmännisch und unfehlbar. Doch hinter vorgehaltener Hand munkelte man im Volk über Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und die Dekadenz der alten Adelsgeschlechter, denen die meisten Ratsmitglieder angehörten. Wer Geld hatte, wurde bevorzugt, das war kein Geheimnis; wer einen alten Familiennamen vorweisen konnte, galt mehr als das gemeine Volk.
    Einer der drei Männer im Erdgeschoss trug ein hölzernes Kästchen in Händen. Es sah aus wie eine Schmuckschatulle aus Ebenholz.
    »Was tun die hier?«, formten Merles Lippen ohne einen Laut.
    Serafin zuckte mit den Achseln. Unten im Flur ertönte ein Knirschen. Die Haustür wurde geöffnet. Schritte erklangen, dann war die Stimme eines Soldaten zu hören.
    »Meine Herren Räte«, verkündete er ergeben, »der ägyptische Gesandte ist eingetroffen.«
    »Um Himmels willen, halt den Mund!«, zischte der Rat im Purpurgewand. »Oder willst du, dass gleich das ganze Viertel davon erfährt?«
    Der Soldat trollte sich und verließ das Haus, während sein Begleiter den Raum betrat. Es war der Mann vom Boot, und er trug die Kapuze auch jetzt noch tief ins Gesicht gezogen. Das Kerzenlicht reichte nicht aus, um die Schatten darunter zu erhellen.
    Er verzichtete auf eine Begrüßung. »Ihr führt bei Euch, was Ihr versprochen habt?«
    Merle hatte noch nie einen Ägypter sprechen hören. Sie war erstaunt, dass die Worte des Mannes keinen Akzent aufwiesen. Aber sie war zu angespannt, um auf Anhieb die Tragweite der Lage einzuschätzen. Erst nach und nach sickerte die ungeheure Bedeutung zu ihr durch. Ein geheimes Treffen zwischen Ratsmitgliedern und einem Gesandten der Ägypter! Einem Spion, vermutlich, der getarnt in der Stadt lebte, sonst wäre sein venezianischer Dialekt nicht so makellos gewesen. Serafin war kreidebleich. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Erschüttert schaute er über den Rand in die Tiefe.
    Der Rat in Gold deutete eine Verneigung an, und die beiden anderen taten es ihm gleich. »Wir freuen uns, dass Ihr unserer Bitte nach einer Begegnung nachgekommen seid. Und gewiss, wir führen bei uns, was Ihr begehrt.«
    Der Rat in Scharlach verschränkte nervös die Finger. »Der Pharao wird sich doch dankbar zeigen, nicht wahr?«
    Mit einem Ruck wandte sich ihm die schwarze Öffnung der Kapuze zu. »Gottkaiser Amenophis wird von Eurer Bitte, sich uns anzuschließen, erfahren. Was dann geschieht, liegt allein in seiner göttlichen Hand.«
    »Gewiss, gewiss«, beeilte sich der purpurne Rat zu beschwichtigen. Er warf dem Mann im Scharlachgewand einen zornigen Blick zu. »Wir wollen keine Entscheidung Seiner Göttlichkeit in Frage stellen.«
    »Wo habt Ihr es?«
    Der Rat in Gold streckte dem Gesandten die Schatulle entgegen. »Mit den ergebensten Grüßen an Pharao Amenophis. Von seinen getreuen Dienern.«
    Verräter, durchfuhr es Merle voller Verachtung. Verräter, Verräter, Verräter! Ihr wurde ganz schlecht beim kriecherischen Ton, den die drei Stadträte

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