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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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langsam. »Der Teufel also.«
    »Was zu beweisen wäre«, sagte Serafin. »Niemand ist Lord Licht je begegnet.« Damit redete er die Sache nur schön, das wusste er.
    »Und Arcimboldo hat ihm gehorcht?«, fragte Dario.
    Ein vereinzelter Windstoß streifte Serafins Gesicht und ließ ihn frösteln. Abermals blickte er auf zum Nachthimmel. »Er hat nicht nur die Spiegel für ihn gemacht. Er hat auch Merle und Junipa auf Befehl Lord Lichts in sein Haus aufgenommen.«
    »Aber…«, begann Dario, dann schüttelte er den Kopf. Er hatte die beiden Mädchen nie gemocht, doch er ging nicht so weit, ihnen die Schuld zu geben. »Erzähl den Rest«, bat er.
    »Es gibt nicht mehr zu erzählen. Junipa war blind, das weißt du, und Arcimboldo hat ihr auf Wunsch von Lord Licht die Spiegelaugen eingesetzt.«
    »Diese verfluchten Augen«, flüsterte Dario. »Sie sind unheimlich. Wie Eis. Als würde ein kalter Wind daraus wehen.« Er hielt inne, und erst nach einem Moment fügte er hinzu: »Warum? Was hat die Hölle oder Lord Licht davon, wenn Junipa wieder sehen kann?«
    »Keine Ahnung.« Serafin bemerkte Zweifel in Darios Blick. »Nein, ehrlich, ich weiß es nicht. Und ich glaube, Arcimboldo selbst war sich nicht sicher. Er hat nur getan, was man ihm aufgetragen hat. Um die Werkstatt zu retten und auch euch Lehrlinge. Er hatte Angst, euch zurück ins Waisenhaus schicken zu müssen, wenn er die Aufträge von Lord Licht ausschlagen würde. Es ging ihm nur um euch.« Serafin zögerte kurz, dann sagte er: »Und er war froh, Junipa helfen zu können. Er hat gesagt, dass sie so glücklich war, endlich sehen zu können.«
    »Und warum sind wir nun hier?«
    »Talamar, der Bote Lord Lichts, hat verlangt, dass Arcimboldo Junipa an ihn ausliefert. Aber ich glaube, er wusste genau, dass Arcimboldo sich weigern würde. Er hat ihm eine Frist gesetzt. Und deshalb müssen wir deinen Meister, Junipa und Unke in Sicherheit bringen, bevor -«
    »Bevor dieser Talamar das Mädchen holt«, beendete Dario den Satz. »Und Arcimboldo für seinen Ungehorsam bestraft.«
    »Dann bist du noch immer mit dabei?« Serafin hatte nicht vergessen, was geschehen war, als Dario damals in der Spiegelwerkstatt mit einem Messer auf ihn losgegangen war. Dario hatte Junipa dabei als Schutzschild missbraucht. Andererseits, heute hatte Serafin das Gefühl, es mit einem anderen Dario zu tun zu haben. Einem, der ehrlicher war zu anderen - ehrlich auch zu sich selbst.
    »Sicher.« Dario zog seinen Säbel, eine entschlossene, aber auch ein wenig hilflose Geste. »Egal, mit wem wir es aufnehmen müssen. Und wenn der Pharao und Lord Licht dort drinnen gerade Brüderschaft trinken, zeigen wir halt beiden, wo’s langgeht.«
    Serafin grinste und setzte sich in Bewegung. Gemeinsam überwanden sie die letzten Meter bis zur Werkstatt. Der Schriftzug über der Tür, Arcimboldos Götterglas, schien unwirklicher denn je. In dieser Nacht waren die Götter weiter von Venedig entfernt als jemals zuvor.
    Ein leises Pochen ertönte, als das leere Ruderboot des Spiegelmachers neben ihnen gegen die Kanalwand schlug. Serafin und Dario schraken zusammen. Irgendetwas hatte das stille Wasser aufgestört. Vielleicht nur der Wind.
    Noch immer keine Löwen am Himmel.
    Der Eingang stand offen. Dario warf Serafin einen verwunderten Blick zu, doch der zuckte nur mit den Schultern. Erst nachdem sie vorsichtig eingetreten waren, sahen sie es: Das Türschloss war aufgebrochen, mehr noch, es war zerschmettert, zerfetzt wie das Holz der Eichentür, die mit solcher Wucht gegen die Wand geschlagen war, dass an mehreren Stellen der Putz an der Mauer fehlte.
    Dario spähte aufmerksam ins Dunkel.
    Serafin wisperte nur ein einziges Wort: »Talamar.«
    Er wusste nicht, was ihn so sicher machte. Ebenso gut mochten Mumienkrieger in das Haus eingedrungen sein. Aber er spürte den Odem von Lord Lichts Sklaven wie einen schlechten Geruch, der hier drinnen die Luft verpestete. Wie etwas, das die Härchen in seinem Nacken versengte und alle seine Zahnwurzeln auf einmal schmerzen ließ. Die Anwesenheit von etwas durch und durch Schlechtem, vielleicht sogar bösartiger als die Macht, die es hergesandt hatte.
    »Talamar«, sagte er noch einmal, jetzt lauter, verbissener.
    Dann rannte er los, ungeachtet Darios Warnung, ungeachtet auch der Finsternis, die in der Eingangshalle brodelte wie schwarzer Sud in einem Hexenkessel. Er hetzte die Treppe hinauf, bog im ersten Stock ab und erschrak, als er hektische Bewegungen rechts und

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