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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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eine Leiche mehr in den alten Gräbern, nur eine Mumie in ihrem Sarkophag, so verhasst von jenen, die dich vergiftet haben, dass sie dir nicht einmal Gold mit ins Grab gelegt haben. Und jeder hat das gewusst. Warum sonst, glaubst du, haben die Grabräuber jahrtausendelang nicht versucht, in deine Gruft einzudringen?« Er lachte abfällig. »Sie wussten, was sie dort finden würden. Nur den Leichnam eines vorlauten Kindes, dessen Geschrei nach Spiel und Unterhaltung selbst seine engsten Vertrauten nicht mehr ertragen konnten. Nur den Körper eines dummen Jungen, der -«
    Einer der Sphinxe machte einen gleitenden Schritt auf Seth zu, aber Amenophis hielt ihn zurück. »Seth«, sagte er beherrscht, doch an seinen Augen erkannte der Priester, wie sehr seine Worte ihn erzürnten. »Schweig. Bitte.«
    »Ich sage die Wahrheit. Und deine neuen… Schoßtiere werden das auch bald begreifen.« Er hatte die Sphinxe damit reizen wollen, erkannte aber, dass sie sich nicht darauf einließen. Der eine grinste müde, der andere verzog kein Miene. Es war ein alberner Versuch gewesen, sie aus der Fassung zu bringen, das wusste auch Seth.
    »Wir wollen dich nicht töten«, sagte der Pharao. Seine Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln. »Dich nicht.«
    »Was willst du dann?« Seth blickte wieder hinaus zu seinen zusammengepferchten Priestern. Die Schwerter ihrer Wächter glühten im Fackelschein.
    Amenophis schmunzelte. »Zuerst - ihren Tod. Und danach deine Aufmerksamkeit.«
    Seth fuhr herum, und wieder machte ein Sphinx einen drohenden Schritt nach vorn. Diesmal hielt Amenophis ihn nicht zurück.
    »Es ist nicht nötig, dass sie sterben«, sagte Seth. Er suchte nach einem Zauber, einer Illusion, mit der er den Pharao überrumpeln konnte, aber er wusste, dass es sinnlos war. Die Magie der Sphinxe war der seinen ebenbürtig, und sie würden jeden Angriff abwehren. Wenn nicht diese beiden, dann einige der anderen, die sich fraglos hinter den Wänden verbargen und ihn beobachteten.
    »Nicht nötig?«, wiederholte Amenophis mit seiner Kinderstimme. Er streifte mit dem Zeigefinger über die Goldfarbe auf seinen Zügen und betrachtete dann interessiert seine Fingerkuppe. Sie schillerte wie ein exotischer Käfer. »Wir machen dir ein Angebot, Seth. Du solltest es nicht ausschlagen. Wir wissen sehr wohl, dass Wir allein dir und deinen Priestern diesen Sieg zu verdanken haben. Ihr wart es, die einen Weg gefunden haben, die Fließende Königin aus dem Wasser zu vertreiben - wo immer sie sich jetzt auch verkrochen hat. Glaube also nicht, dass Wir keine Dankbarkeit empfinden.«
    »Ja«, brachte Seth mühsam hervor. »Das sehe ich.«
    Amenophis streckte seinen Finger mit der Goldfarbe nach einem der Sphinxe aus. Das Wesen kam sofort näher und ließ mit ausdrucksloser Miene zu, dass der Pharao zwei goldene Streifen über seine Wangen schmierte.
    Kriegsbemalung.
    »Wir sind der Herrscher des Imperiums, der Einzige, der Größte, der Mächtigste«, sagte Amenophis. »Ist es nicht so?«
    »So ist es, Re«, antwortete der Sphinx ergeben.
    Der Pharao entließ ihn mit einem Wink, und das Wesen bezog wieder seinen Posten neben dem Diwan.
    »Du hast von einem Angebot gesprochen«, sagte Seth.
    »Ah, Wir wussten, dass dich das interessieren würde.« Amenophis strich mit der flachen Hand über die Jaguarfelle. »Wir wollen mehr davon.«
    Seth schluckte fassungslos. »Ich soll für dich… Jaguare jagen?«
    Der kindliche Pharao brach in schrilles Gelächter aus. »Oh, Seth, du Dummkopf! Nein, natürlich nicht. Wir denken, Wir werden einen anderen finden, der Uns ein paar von diesen exquisiten Tierchen besorgt, nicht wahr?« Er lachte noch immer, aber jetzt beruhigte er sich allmählich. »Es geht um Folgendes, Seth. Unsere neuen Berater… unsere Freunde… hatten in ihrer grenzenlosen Weisheit eine Vision.«
    Jedermann wusste, dass Sphinxe tatsächlich über uralte Weisheit verfügten. Seth hätte seine rechte Hand dafür gegeben, zu erfahren, welches Spiel sie spielten. Es machte ihn halb wahnsinnig, dass er sie nicht durchschaute.
    »Eine Vision von Unserem Tod«, fuhr Amenophis fort.
    »Die Horuspriesterschaft hätte nicht zugelassen, dass du jemals stirbst.«
    »Gut gekontert. Aber wir wissen beide, dass du lügst. Irgendwann wärt ihr Unserer überdrüssig geworden. Und wer hätte dann Unseren Platz auf dem Thron eingenommen? Du selbst, Seth? Ja, Wir glauben fast, das wäre möglich.«
    Seth musste sich beherrschen, nicht vor ihm auszuspucken.

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