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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ungewöhnlich. Sonst war der Pharao stets von seinen hoch gewachsenen Kriegern aus der nubischen Wüste umgeben, deren Sichelschwerter schon so manchem Attentäter den Garaus gemacht hatten.
    Sonderbar war auch, dass der Pharao grellere Gesichtsfarben hatte auftragen lassen als sonst. Doch auch sie konnten nicht verbergen, dass sein Gesicht das eines Kindes war, noch keine dreizehn Jahre alt. Damals, vor mehr als dreitausend Jahren, war der junge Pharao einem Giftanschlag zum Opfer gefallen. Nachdem die Horuspriester ihn wieder erweckt hatten, war er nicht mehr gealtert. Seit über dreißig Jahren regierte Amenophis nun schon, und er sah noch immer aus wie ein verzogenes, rotznasiges Kind.
    Dabei erfasste dieser Eindruck nicht einmal einen Bruchteil all seiner schlechten Eigenschaften. Seth hatte schon oft spekuliert, ob das Gift damals nicht von seinen Vorgängern gemischt worden war, von Horuspriestern, die die Launen dieses grausamen Zwerges nicht länger ertragen hatten.
    Insgeheim ahnte er, dass sich Amenophis womöglich dieselbe Frage stellte - was einer der Gründe sein mochte, weshalb sich der Pharao in letzter Zeit immer aggressiver vom Einfluss der Priesterschaft befreite und sich den Sphinxen zuwandte.
    »Seth«, sagte Amenophis und winkte ihm zur Begrüßung beiläufig mit der Rechten zu.
    Der Hohepriester verbeugte sich tief und wartete, bis der Pharao ihm bedeutete, sich aufzurichten. Diesmal nahm Amenophis sich dafür besonders viel Zeit, aber Seth ließ den Affront regungslos über sich ergehen. Irgendwann würden sich die Verhältnisse ändern, und dann würde er es sein, Seth, der den Pharao kriechen ließ. Ein recht erbaulicher Gedanke, der ihm ein zufriedenes Lächeln abrang.
    Amenophis bat ihn, näher zu kommen.
    »Ihr wolltet mich sehen, Re?« Der Pharao bevorzugte es, mit dem Namen des Sonnengottes angesprochen zu werden.
    »Genau genommen wollen wir, dass du etwas siehst, Seth.«
    Der Priester hob eine Augenbraue. »Was könnte das sein?«
    Amenophis räkelte sich auf dem Jaguardiwan und lächelte. Unter seinem linken Auge war die goldene Farbe verlaufen, aber er sah nicht aus, als hätte er Grund zur Trauer gehabt. Worüber also hatte Amenophis wohl eben erst Tränen gelacht?
    Seth fühlte sich immer unbehaglicher.
    »Re?«, fragte er noch einmal.
    »Tritt ans Fenster«, sagte der Pharao.
    Seth ging zu einem der hohen Fenster hinüber. Von hier aus konnte er hinaus auf die nächtliche Piazza San Marco blicken. Nach wie vor wurde sie von zahllosen Fackeln und Feuerbecken erhellt, aber die Szenerie im Schein der Flammen hatte sich verändert.
    Mumienkrieger trieben die Horuspriester zusammen, mehrere Dutzend Männer in langen Gewändern, unweit der Stelle, wo vor einigen Tagen der Höllenbote das Pflaster aufgerissen hatte. Ein mächtiger Sphinx beaufsichtigte die Festnahme, die mit unheimlicher Ruhe vonstatten ging. Unter den Gefangenen erkannte Seth seine engsten Vertrauten, Männer, mit denen er die Auferstehung des Pharaos geplant und durchgeführt hatte. Männer, die ihn gewarnt und ihm vertraut hatten, als er ihre Sorgen zerstreut hatte. Was für ein Narr er gewesen war!
    Denn für seine Dummheit sollten nun seine Priester mit dem Leben bezahlen, daran gab es kaum einen Zweifel.
    Sehr langsam und so würdevoll wie nur möglich drehte Seth sich zum Pharao um.
    Amenophis war nicht mehr allein. Vollkommen lautlos waren zwei Sphinxe an seine Seite getreten, auf samtweichen Löwenpfoten. Ihre Oberkörper waren die von Männern, die Unterleiber gehörten mächtigen Raubkatzen. Beide hielten Sichelschwerter, die ein gewöhnlicher Mensch kaum hätte heben können.
    »Warum, Re?«, fragte Seth leise und so beherrscht, dass es ihn selbst überraschte. »Warum meine Priester?«
    »Die Priesterschaft des Horus hat ihre Schuldigkeit getan«, sagte Amenophis leichthin, ohne sein Lächeln zu verlieren. »Wir danken dir und den deinen, Seth. Ihr wart uns eine große Hilfe, und Wir werden das nicht vergessen.«
    Der Pharao liebte es, von sich selbst in der Mehrzahl zu sprechen. Aber im Augenblick erschien es Seth fast, als meinte Amenophis tatsächlich mehrere - sich selbst und seine neuen Berater, die Sphinx-Kommandanten.
    »Das ist Verrat«, presste er hervor.
    »An wem?« Amenophis’ Augen weiteten sich in gespieltem Erstaunen. »Nicht am Pharao. Auch nicht an den Göttern.«
    »Wir haben dich zu dem gemacht, was du bist.« Seth verzichtete jetzt auf die ehrerbietige Anrede. »Ohne uns wärst du nur

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