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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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darauf hingearbeitet, sich den alten Gott ihres Volkes zum Sklaven zu machen. Dafür brauchten sie erst den Pharao, dann die Horuspriester mit ihrer Macht, sich die Toten Untertan zu machen. Und wenn die Gerüchte wahr waren, dass seit gestern die Priesterschaft die Gunst des Pharaos verloren hatte, dann sah es so aus, als hätten die SphinxKommandanten mit ihren Plänen Erfolg gehabt. Nicht mehr lange, und sie waren es, die mithilfe des alten Gottes das Imperium beherrschten.
    Lalapeja sprach weiter: »Ich begann also, Vorkehrungen zu treffen. Die ganzen Jahrtausende, das ganze Warten… jetzt endlich erkannte ich, dass es nicht umsonst gewesen war. Und so habe ich alles versucht, was in meiner Macht stand.« Sie senkte den Blick. »Und ich habe versagt. So lange Zeit, und dann eine Niederlage. Der Sohn der Mutter ist verloren.«
    Serafin hatte kein Wort gesagt. Jetzt aber musste er sich eingestehen, dass nicht sie die Schuld an ihrem Versagen trug. Er selbst hatte verhindert, dass sie den Sammler aufhielt; er hatte alles zunichte gemacht, worauf sie und ihre Vorgänger seit Äonen gewartet hatten.
    Aber auch das änderte nichts daran, dass Boro sein Leben hatte opfern müssen.
    Serafin fühlte sich nicht schuldig. Wollte es, aber konnte es nicht. Sie hatten beide Fehler gemacht, Lalapeja ebenso wie er, und nun mussten sie gemeinsam die Konsequenzen tragen.
    »Wir verdursten«, sagte Tiziano, als hätte Lalapejas Bekenntnis gar nicht stattgefunden. Vielleicht hatte er ihr nicht zugehört.
    Serafin starrte die Sphinx an, und jetzt erwiderte sie seinen Blick, und einen Herzschlag lang dachte er, dass er diese Augen schon einmal gesehen hatte, aber nicht an ihr.
    »Land!« Darios Stimme zerriss das Schweigen. »Da drüben ist Land!«
    Alle sahen in die Richtung, in die er zeigte. Sogar Lalapeja.
    Tiziano sprang auf, und sogleich begann der Schildkrötenpanzer zu schaukeln und zu wippen, und plötzlich schwappte Wasser über den Rand, eine ganze Woge, und dann saßen sie bis zu den Knöcheln im Nassen.
    »Setz dich, verdammt!«, fuhr Dario Tiziano an.
    Der Junge starrte ihn einen Moment lang an, völlig gefangen in seiner Euphorie über die helle Erhebung in der Ferne, so als verstünde er nicht, was Dario von ihm wollte. Dann aber sank er zurück auf seinen Platz und nahm den Blick nicht mehr von den grauen Höckern, die in einiger Entfernung die Meeresoberfläche durchbrochen hatten wie der Buckel eines Riesenwals.
    Die Erhebung musste schon eine ganze Weile lang in Sichtweite gewesen sein, bevor Dario sie entdeckt hatte, aber ihre Farbe unterschied sich kaum von jener der See und des Himmels.
    »Das ist kein Land«, sagte Serafin, und niemand widersprach.
    Eine Weile herrschte gespannte Ruhe, dann sprach Dario aus, was alle dachten: »Ein Fisch?«
    Und Aristide: »Ein Leviathan?«
    Serafin lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er schüttelte den Kopf. »Falls es einer ist, dann lebt er nicht mehr. Das Ding bewegt sich nicht. Unke?«
    Als sie ihn ansah und er in ihre Augen blickte, wünschte er sich sofort, er hätte sich die Frage verkniffen. Aber dazu war es jetzt zu spät.
    »Du willst das nicht hören«, sagte sie leise.
    »Ich will es hören«, sagte Dario gereizt.
    »Ich auch«, setzte Tiziano eilig hinzu.
    Serafin schwieg.
    Unke nahm ihre Augen nicht von ihm, als sie sagte: »Wir sinken.«
    »Was?«, entfuhr es Tiziano entsetzt. Erneut sprang er auf, wurde aber sogleich von Dario zurück auf seinen Platz gezogen.
    »Das ist nur ein bisschen Wasser«, sagte Dario rasch und ließ ein wenig von dem Salzwasser vom Boden durch seine Finger rinnen. »Nicht schlimm. Und ich weiß nicht, was das mit dem da draußen zu tun -«
    »Wir gehen unter«, sagte Unke noch einmal. »Schon seit einer ganzen Weile. Sehr, sehr langsam. Wir können es nicht aufhalten. Und der einzige Ort, an den wir gehen können, ist das da drüben.« Sie deutete auf die hellen Erhebungen im Meer, ohne selbst hinzusehen.
    »Warum hast du vorher nichts gesagt?«, fragte Serafin.
    »Was hätte es geändert?«
    Aristide blickte gehetzt von einem zum anderen. »Wir sinken? Ehrlich?«
    Dario schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch. »Das hat sie gesagt, ja.«
    »Haarrisse«, sagte Serafin und begutachtete zum ersten Mal den Wasserspiegel im Inneren des Schildkrötenpanzers. Sie waren alle durchnässt, seit sie Venedig verlassen hatten, und niemand hatte sich um die Feuchtigkeit am Boden der Hornschale gekümmert. Aber jetzt dämmerte ihm,

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