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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gigantisches raste über sie hinweg und krachte mit ohrenbetäubendem Donner in die Felswand - der Ellbogen eines Kämpfers, so groß wie ein Kirchturm.
    Junipas Griff um Merles Taille wurde so fest, dass diese kaum noch Luft bekam, aber das machte nichts, denn vor Anspannung vergaß sie ohnehin fast zu atmen. Steinsplitter prasselten auf sie herab, und es war allein Vermithrax’ Geschicklichkeit zu verdanken, dass sie von keinem der größeren Stücke getroffen wurden. Plötzlich war alles andere bedeutungslos. Sie tauchten mitten in den Kampf der beiden Titanen ein, sahen jetzt nichts mehr als hohe Steinwände und Wälle, die sich unaufhörlich verschoben, knirschend und berstend aneinander rieben und sich mal langsam, mal blitzschnell auf sie zu- oder von ihnen fortbewegten. Vermithrax flog haarsträubende Manöver, um den Körpern der Kämpfer auszuweichen, berührte mal hier mit der Flügelspitze die Wölbung eines Muskels oder dort den Grat eines Rippenbogens.
    Dann, ebenso abrupt, wie die Kämpfer aufgetaucht waren, blieben sie hinter ihnen zurück. Vermithrax trug die beiden Mädchen aus der unmittelbaren Gefahr, vorbei an den Rändern des Felsspalts und hinaus in die Weite der Ebene, hoch über die Köpfe verstreuter Lilimhorden hinweg, die fächerförmig vom Kampfplatz der Steinriesen strömten und ihr Heil in der Flucht suchten.
    »Haben wir’s geschafft?«, fragte Junipa an Merles Ohr. Die Worte klangen wie hingehaucht, müde und kraftlos.
    »Zumindest sind wir aus der Stadt raus.« Ob das bereits Grund zur Erleichterung war? Merle wusste es nicht, und es tat ihr Leid, dass sie Junipa nicht mehr Mut machen konnte.
    Bevor Lord Lichts Schwarm die Kämpfer erreichte, erstarrten die beiden Titanen, eng ineinander verschlungen wie zuvor. Die fliegenden Lilim, allen voran jener, auf dessen Rücken Lord Licht saß, schossen ungehindert durch die Lücken zwischen den Körpern. Die Kämpfer hatten hunderte von Lilim unter ihren Füßen zermalmt, und noch immer flohen die Überlebenden in alle Richtungen; es würde lange dauern, ehe sich irgendwer wieder hierher wagte. Merle sah noch, wie ein paar Lilim am Boden stehen blieben und mit einer Vielzahl der unterschiedlichsten Gliedmaßen hinauf in den roten Himmel gestikulierten, auf Lord Licht und seine Begleiter. Dann verstärkte Vermithrax den Schlag seiner Flügel, und seine Geschwindigkeit wurde so hoch, dass Merle blinzeln musste, damit der Gegenwind nicht in ihren Augen brannte.
    Der Falke hatte die Steinlawinen des Felsspalts und die Körper der Kämpfer sehr viel rascher durchflogen als Vermithrax. Jetzt aber holte Vermithrax wieder auf und blieb knapp in Sichtweite des Vogels. Er war ihre einzige Chance. Den Einstieg, den sie benutzt hatten, würden sie aus eigener Kraft nicht mehr finden. Niemand hatte sich den Weg einprägen können, den die Herolde benutzt hatten, und so wussten sie weder, wo der Einstieg zu finden war, noch, wie lange sie bis dorthin brauchen würden.
    Seth musste eine andere Möglichkeit kennen, die Hölle zu verlassen.
    Merle hatte hundert Fragen, die sie Junipa gerne gestellt hätte. Doch sie beide waren völlig erschöpft. Ihre Neugier konnte warten.
    Das Ödland erschien ihr jetzt noch eintöniger als während ihres Fluges mit den Herolden. Die schroffen Felskegel und Schrunde, die Spalten im Boden, die spitzen Gesteinsnasen und längst erstarrten Lavagletscher wiederholten sich immer und immer wieder, so als flögen sie in Wahrheit seit einer Ewigkeit im Kreis. Nur kleine Unterschiede, abweichende Formationen hier und da, bestätigten Merle, dass es immer noch geradeaus ging, dass Seth sie nicht narrte.
    Irgendwann, nachdem Merles Zeitgefühl längst versagt hatte und sie sich Mühe geben musste, vor Müdigkeit nicht den Halt zu verlieren, schälte sich aus dem roten Glanz am Horizont ein Umriss. Zuerst hielt sie ihn für eine Windhose, vielleicht für einen Wirbelsturm. Dann wurde ihr klar, dass er massiv war und sich nicht von der Stelle rührte.
    Eine Säule. Kilometerhoch, sodass sie den Boden der Hölle mit der Decke verband.
    Im Näherkommen konnten sie Öffnungen ausmachen, unregelmäßig angeordnet, aber alle gleich groß. Fenster.
    »Das ist keine Säule«, flüsterte Merle staunend. »Das ist ein Turm!«
    »Der Falke hält genau darauf zu«, sagte Vermithrax.
    »Ist das der Ausgang?«, fragte Junipa mit schwacher Stimme.
    Merle zuckte die Achseln. »Seth scheint es zumindest dafür zu halten. Immerhin hat er uns

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