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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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buchstäblich unbezahlbar, denn es gab niemanden mehr, der es hätte kaufen können.
    Aber vermutlich hätte der Kapitän sein Boot ohnehin nicht verkauft, um keinen Preis der Welt.
    Vielmehr war es das Wissen um den Wert seines Gefährts, die plötzliche Erkenntnis seines Reichtums, die ihn begeisterte. Er war schon zu lange an Bord, und wie so oft, wenn man etwas Tag für Tag um sich hat, hatte auch er vergessen, wie kostbar es war.
    Er sah Unke noch ein paar Herzschläge länger an, dann wirbelte er auf den Absätzen seiner Stiefel herum und schnauzte eine Reihe von Befehlen an seine Untergebenen, die sich sofort daranmachten, die Wünsche des Kapitäns an die Mannschaft weiterzugeben, durch Sprachrohre, die bis in die hintersten Winkel des Unterseebootes reichten.
    Aufräumen hieß die Devise. Saubermachen und Staubwischen. Entrosten und Polieren. Decks schrubben und Glasscheiben putzen. Und dann, so Calvinos Befehl, sollten die Kunstschätze, die sich im Laufe der Jahre in einem der unteren Laderäume angesammelt hatten, an den Wänden und in den heil gebliebenen Vitrinen verteilt werden. Und wehe dem, der sich noch einmal mit Kohlestift oder Messerspitze daran zu schaffen machte!
    Zum Schluss schenkte Calvino der einstigen Meerjungfrau ein schiefes Grinsen. „Wie ist Ihr Name?"
    „Unke."
    Er verbeugte sich galant, ein wenig übertrieben, aber doch so, dass der gute Wille ersichtlich wurde.
    „Rinaldo Bonifacio Sergio „Romulus Calvino", stel te er sich vor. Wil kommen an Bord."
    Unke dankte ihm, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht länger verkneifen - der Kapitän schien darüber ein wenig zu erschrecken -, schüttelte ihm die Hand und kam schließlich zu den beiden Jungen herüber. Serafin und Dario standen immer noch mit herabgesunkenen Kinnladen da und konnten nicht fassen, was gerade geschehen war.
    „Wie hast du das gemacht?", fragte Serafin leise, als sie, begleitet von Calvinos wohlwollendem Blick auf Unkes Hinterteil, die Brücke verließen.
    Unke zwinkerte Serafin zu. „Er ist auch nur ein Mann", sagte sie zufrieden, „und ich habe immer noch die Augen einer Meerjungfrau."
    Dann eilte sie voraus, um die Aufräumarbeiten zu beaufsichtigen.
    Sie erreichten Ägypten am nächsten Tag.
    Nichts hatte sie auf das vorbereitet, was sie erblickten, als das Unterseeboot zur Oberfläche emporstieß. Eisschollen trieben auf der offenen See, hunderte Meter vom Land entfernt. Je näher sie der weißen Küstenlinie kamen, desto deutlicher wurde die Gewissheit, dass der Winter über die Wüste gekommen war. Niemand verstand, was vorgefallen war, und Calvino ließ seine Männer drei Vaterunser beten, um sie alle vor Klabautermännern und Seeteufeln zu bewahren.
    Serafin, Unke und die Übrigen waren so ratlos wie der Kapitän und seine Mannschaft, und selbst Lalapeja, die stille, geheimnisvolle Lalapeja, erklärte ungefragt, dass sie nicht die leiseste Ahnung habe, was in Ägypten geschehen war. Zweifellos hatte es einen solchen Wintereinbruch niemals zuvor gegeben. Schneeschollen vor der Wüstenküste, erklärte sie, seien in etwa so üblich wie tanzende Eisbären auf Pyramidenspitzen.
    Kapitän Calvino gab Befehl, die Dicke der Eisschicht am Ufer zu messen. Kaum mehr als ein Meter, meldete man ihm bald darauf. Calvino knurrte übellaunig vor sich hin und konferierte dann eine geschlagene Stunde auf der Brücke mit Unke - wie bei jedem Gespräch der beiden gab es eine Menge Geschrei, schlimme Flüche und schließlich einen nachgiebigen Kapitän.
    Kurz darauf ließ Calvino das Boot tauchen, und sie fuhren unterhalb der Eisschicht ins Nildelta ein.
    Der große Strom und seine Verzweigungen waren nicht tief, und es erforderte einiges Geschick, das Boot zwischen Eis und Flussgrund hindurchzumanövrieren. Manches Mal hörten sie Sand unter dem Rumpf knirschen, während die oberen flossenförmigen Auswüchse der Bootsschale an der Eisschicht entlangschabten. Ein Wunder sei es, schimpfte Calvino, ein gottverfluchtes Wunder, wenn sie bei all diesem Lärm niemand bemerke.
    Die meiste Zeit über bewegten sie sich im Schritttempo vorwärts, und Serafin begann sich zu fragen, wohin sie überhaupt unterwegs waren. Der Auftrag der Hexe hatte gelautet, sie an der Küste abzusetzen - und nun brachte Calvino sie aus freien Stücken weiter landeinwärts, zudem unter Bedingungen, die schlimmer waren, als sie alle hatten ahnen können. Unkes Einfluss auf ihn war erstaunlich.
    Das Innere des Bootes blitzte bereits an vielen

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