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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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umkrampfte, war ihnen Beweis genug.
    Syagrius wurde gepackt und hochgerissen. Ein kurzer Wortwechsel in gotischer Sprache, die die Griechin schon gut beherrschte, verhinderte immerhin, dass der ehemalige römische Machthaber geschlagen und gefesselt wurde.
    Schließlich gelang es Scylla, die Goten hinauszudrängen. Doch nun steckten sie alle Augenblicke die Köpfe herein. Kurz darauf wurden die Wachen verstärkt. Mindestens zehn, zwölf Mann bezogen Stellung rings um das Zelt.
    »Alter, hirnloser Narr!«, sagte Scylla, während sie den Silberpfeil wieder im Haar der sächsischen Sklavin befestigte. »Du wirfst mir Verrat vor? Ohne mich wärst du schon lange nicht mehr am Leben. Nichts ist unerwünschter und lästiger als ein entthronter Machthaber auf Asylsuche. Dein Glück war es, dass der König mich bei unserer Ankunft noch vor dir ansah und dass er augenblicklich von meiner Schönheit bezaubert war. Aber ich dachte vor allem an dich! Bevor ich sein Werben erhörte, stellte ich die Bedingung, dass deine Zukunft gesichert sein müsse. Du wurdest ehrerbietig behandelt, erhieltest ein prachtvolles Haus und zähltest zuletzt sogar zum erweiterten Kreis der königlichen Ratgeber, als Kenner der römischen Justiz und Verwaltung. Das alles verdankst du nur mir. Auch dass du jetzt hier sein darfst, in der Nähe des Königs. Nur weil ich dich immer noch liebe, will ich dir helfen, und deshalb …«
    »Du liebst mich noch? Sagst du die Wahrheit?«
    Der ehemalige Patricius, der vernichtet in einem Armsessel gehangen hatte, richtete sich auf, und eine törichte Hoffnung blies ihm noch einmal Leben ein. »Aber wenn du mich immer noch liebst … warum willst du mich dann nicht retten? Du hast so viel Einfluss auf den König – benutze ihn! Bringe ihn dazu, sich durchzusetzen und meine Auslieferung zu verweigern! Wenn wir nur Zeit gewinnen, meine Göttliche«, fuhr er hastig und schmeichlerisch fort, »ist alles gewonnen! Wir fliehen! Sobald wir mit dem Hof nach Toulouse zurückgekehrt sind, machen wir uns davon! Nach Narbonne sind es nur zweihundert Meilen, ich habe noch Geld, wir mieten ein Schiff. Nach Karthago! Ja, nach Karthago! Davon hast du doch immer geträumt. Ich kenne dort mehrere Wechsler, die mir Kredit geben werden. Wir werden sorglos und glücklich sein. Wir werden wie ehemals miteinander das Lager teilen, die frühere Leidenschaft wird wieder aufflammen …«
    »Was für ein Unsinn! Verschone mich damit!« Angewidert wandte Scylla dem kahlköpfigen, sabbernden, zitternden Fettkloß den Rücken. »Vor fünf Jahren hättest du das vorschlagen sollen, ich wäre vielleicht darauf eingegangen …«
    »Aber es ist noch nicht zu spät! Oh, du bist ungehalten … berechtigt! Verzeih mir, verzeih mir, meine Aphrodite … Ich war einen Augenblick außer mir. Ich wusste nicht mehr, was ich tat, was ich sagte! Ja, ich schwöre dir, ich war nicht recht bei Bewusstsein! Eine Schwäche! Ein Dämon ergriff von mir Besitz und sprach aus mir und bedrohte, beschimpfte dich … Verzeih mir …«
    »Genug davon, alter Mann, genug jetzt!«, sagte sie kalt. »Lass uns vernünftig reden, oder ich gehe. Dann magst du das Schicksal erleiden, das du verdienst!«
    »Nein, nein! Bitte geh nicht! Warte doch, höre mich an! Wenn du mich rettest, rettest du dich ja auch selbst!«
    Syagrius quälte sich aus dem Armstuhl. Er drängte sich an die immer noch abgewandt stehende Griechin und dämpfte die Stimme beinahe zum Flüstern, aus Angst, dass einer der Wächter lateinkundig war und etwas aufschnappen könnte.
    »Du siehst die Gefahr noch nicht, die dich selber bedroht. Auch wenn du dich jetzt um den König verdient machst … es wird dir nichts nützen! Wenn die Ostgotin kommt, ist es aus mit dir. Sie wird entscheiden, was mit dir geschehen soll, und er wird schwach genug sein, allem zuzustimmen. Wird er sich deinetwegen dem Zorn des Theoderich aussetzen, wenn seine Gattin sich bei ihrem Vater beschwert? Gewiss nicht! So wie er gegen mich handeln will, wortbrüchig, furchtsam … so wird er auch gegen dich handeln! Vertraue nicht auf seine Dankbarkeit! Herrschern ist Dankbarkeit immer lästig – ich weiß das aus eigener Erfahrung –, solche Gläubiger schafft man sich gern vom Halse. Vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, vielleicht bleiben dir nur noch Tage. Wenn man die Forderungen der Franken, dieser Verbrecher, erfüllt, werden sie neue stellen. Der Häuptling der Bande will mich … könnte es sein, dass auch der, der

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