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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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eine feindliche Stadt eindrangen.
    Tapferkeit hatte er niemals vermissen lassen, aber der Preis war hoch. Sein Körper war mit Narben übersät, auch mit noch schlecht verheilten Wunden, in denen Holz und Metall von Pfeilen und Lanzen steckte. Meist plagte ihn irgendein Körperteil, in den Nächten fand er oft wenig Schlaf, und nur seiner zähen Natur verdankte er es, dass auch die schlimmsten Krisen vorübergingen.
    Aber die fünf Kriegsjahre hatten ihn verändert.
    Er schätzte es nicht mehr, Tag und Nacht auf den Beinen zu sein. Er kümmerte sich nicht mehr um jede Kleinigkeit. Er zog sich auch aus der Stadt zurück, um dem Andrang der Kläger und Bittsteller zu entgehen. Es langweilte ihn jetzt, immer die gleichen Klagen zu hören, die gleichen Urteile fällen zu müssen. Er empfing nun auch nicht mehr alle Gesandten. Nur die wichtigsten erhielten die Erlaubnis, zu ihm nach Berny zu kommen. Er hatte vorerst genug von den Festgelagen, den feierlichen Umritten, den Huldigungen der Magistrate, den Eidesleistungen neuer Untertanen.
    Er benötigte Zeit zur Erholung und zum Nachdenken. Er wusste, dass nichts blieb, wie es war, und dass die schwerste Arbeit noch vor ihm lag – das so reichlich Gewonnene zu erhalten. Dazu brauchte er wieder eine feste Gesundheit, frische Kraft und einen klaren Kopf.
    Viel Zeit widmete der König in Berny seinem einzigen Sohn, dem nunmehr achtjährigen Theuderich. Ganze Vormittage lang unterwies er ihn selbst im Waffengebrauch und im Reiten.
    »Therri« hatte eigentlich noch nicht das Alter dazu, für den Eintritt in die Jungmannschaft war er noch zu klein. Aber Chlodwig hatte die größte Eile, ihn zum Manne zu machen.
    Immer wieder plagte ihn der Gedanke, was wohl geschehen wäre, wenn ihn ein Schwerthieb oder ein Pfeilschuss getötet hätte. Auch eine seiner vielen Beschwernisse konnte ihn umbringen. Zwei- oder dreimal im letzten Winter war es fast so weit gewesen. Nur Sunnas aufopfernder Pflege verdankte er, dass er jedes Mal durchkam.
    Die Ärzte, die mit ihren Messern in seinen Wunden gewühlt und die tückischen Fremdkörper nicht gefunden hatten, waren ausgepeitscht und davongejagt worden. Einen hatte er, irrsinnig vor Schmerzen, beinahe erwürgt. Jetzt ließ er sich nur noch von Sunna behandeln, obwohl ihm klar war, dass sie mit ihren Kräutern, Salben und Zaubersprüchen gegen die meisten der Übel, die ihn plagten, nichts ausrichten konnte. Sie war noch rundlicher geworden, und ihr Haar war nicht mehr blond, sondern grau. Sie war jetzt fünfunddreißig Jahre alt.
    Als Remigius endlich die Erlaubnis erhielt, nach Berny zu kommen, setzte er sich sofort in seine Carruca und traf gegen Abend auf dem Königsgut ein. Er fand den König an seinem bevorzugten Platz, unter der Buche vor dem Pferdestall.
    Ihm gegenüber auf der langen Bank, die Ellbogen auf den rohgezimmerten Tisch gestützt, hockten die drei, die noch immer seine bevorzugte Gesellschaft bildeten: Bobo, Ansoald, Ursio. Ein Vierter, in dem der Bischof überrascht den jungen Potitius aus Reims erkannte, saß aufrecht und steif an der Tischkante.
    Alle sahen Therri zu, der ein Kinderbeil nach einer rund geschnittenen Rinderhaut schleuderte, die als Zielscheibe an den Baum geheftet war. Chlodwig selber leitete ihn an. Er wurde allmählich ungeduldig, erklärte aber nach jedem Fehlwurf, was Therri falsch gemacht hatte. Der Junge war schon den Tränen nahe.
    »Du musst die Entfernung richtig schätzen, das ist das Wichtigste. Ist das so schwer? Der Baum ist ein Riese, er ist dein Feind, er kommt auf dich zu. Wenn du den Augenblick verpasst, ihn zu töten, tötet er dich. Also los … Anlauf – stehen – zielen – und … Nein, nein! Viel zu spät! Du darfst nicht zögern. Nun ist er schon bei dir und hat dich erschlagen. Noch einmal!«
    Mit unterdrücktem Schluchzen hob der Junge das Wurfbeil auf. Den blonden Strubbelkopf schamhaft gesenkt, ging er zurück. Erneut lief er an. Ein paar Mal drehte sich das Beil, traf aber nur einen Wurzelstrang knapp über dem Boden und rutschte ab. Chlodwigs Getreue nickten beifällig, Potitius klatschte sogar in die Hände.
    Aber der König sagte: »Wieder nichts! Wirst du es niemals lernen, Bengel?«
    »Immerhin hat er den Feind an der großen Zehe getroffen«, witzelte Ursio. »Der muss jetzt auf einem Bein weiterhüpfen.«
    Aber Therri konnte darüber nicht lachen. Die Tränen brachen sich nun Bahn und rollten über die runden, heftig geröteten Kinderwangen.
    »Marsch hinter den

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