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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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ältesten Bruder und Oberkönig verabscheut hatte, und so zog sie weg und nach Genf zu Godegisel. Der ist jetzt der einzige Unterkönig bei uns in Burgund, weil auch der vierte Bruder inzwischen verstorben ist. Zwischen ihm und Gundobad gibt es unentwegt Reibereien, und nicht selten lässt man mich holen, um zu vermitteln. Natürlich versuche ich, beiden gerecht zu werden, leicht ist es nicht. Godegisel steht unserer Sache näher … aber was nützt es? Er ist nur der Unterkönig. Solange Gundobad nicht bekehrt ist, werden die arianischen Bischöfe, dieses Rattengezücht, uns römische zwicken und beißen und sich unter den Legaten die fettesten Speckstücke aussuchen. So ist es, mein guter Bruder. Deshalb ist die Lage so traurig, deshalb wird unser Elend fortdauern.«
    Avitus rülpste dezent und schenkte sich nach. Remigius hatte die letzten Ausführungen seines Amtsbruders nur mit halbem Ohr verfolgt. Seine flinken, wachen Augen waren auf einmal ganz ruhig auf eine Fliege gerichtet, die über den Tisch kroch, doch so, als sähen sie gar nichts, als sei der Blick nach innen gerichtet.
    Als Avitus nun schwieg, gab er sich einen kleinen Ruck, nippte an seinem Becher und sagte: »Interessant, mein lieber Avo, sehr interessant! So also steht es bei euch … so traurig, so schlecht. Aber ein bisschen Hoffnung gibt es ja. Wenn schon in der Königsfamilie … Nun, was ich sagen wollte … Um noch einmal auf diese Mädchen zurückzukommen … die Kinder …«
    »Kinder? Was meinst du? Was für Kinder?«
    »Die Nichten eures Königs, die Töchter der Witwe.«
    »Kinder kann man die nicht mehr nennen.«
    »Sie sind also schon erwachsen, sieh an! Wie alt sind sie denn?«
    »Wie alt sie …? Ganz genau weiß ich es nicht. Die Ältere mag vielleicht neunzehn Jahre alt sein, die Jüngere siebzehn.«
    »Sie sind also heiratsfähig!«
    »Gewiss.«
    »Und … ihr Äußeres … ihre Gestalt, ihr Gesicht … Ich meine, gefällt es? Ist es ansprechend?«
    »Warum fragst du das, Remi?«
    »Warum ich … Nun, ich will es nur wissen. Könnten sie einem Mann gefallen? Auch einem König?«
    Der Bischof von Vienne sah seinen Amtsbruder aufmerksam an, und seine strengen Züge verzogen sich zu einem breiten Lächeln.
    »Einem König? Warum nicht? Sogar dir würden sie gefallen. Besonders die Jüngere, Chlotilde. Sie ist wahrhaftig eine Schönheit, schwarzhaarig, glutäugig, sowohl vorne als auch hinten gut ausgestattet. Wäre ich nicht schon so alt, würde ich selbst um sie werben!«
    »Na, na, was höre ich da? Was sind das für Gedanken! Du sehnst dich nach Fleischeslust, die dich von Gott entfernt?«
    »Ach, gib nichts auf Paulus, den alten Mucker, der kannte sie nicht!«, dröhnte Avitus. Und indem er die Stimme dämpfte: »Mal ganz unter uns: Nie fühlte ich mich dem Himmel näher als in den seltenen Augenblicken der Fleischeslust!«
    Die beiden heiligen Männer, denen der Wein die frommen Skrupel genommen hatte, steckten die Köpfe zusammen und kicherten.
    »Sprechen wir nun aber ernsthaft!«, sagte Remigius. »Ist sie wirklich so schön, diese Chlotilde?«
    »Eine Schönere findest du nicht!«, versicherte Avitus. »Ich war überrascht, als ich sie kürzlich wiedersah. Und dabei ist sie ein Muster an Sittsamkeit. Ein wahrer Engel!«
    »Dann muss sie sich ja vor Bewerbern nicht retten können.«
    »Sollte man meinen. Und einige gab es wohl auch. Aber sie weigerte sich jedes Mal. Und weder ihre Mutter noch ihr Onkel, der König Godegisel, wollten sie zwingen.«
    »Warum weigerte sie sich denn?«
    »Nun, einerseits waren es Männer, deren Familien nicht ihrem Stand entsprachen. Immerhin war ihr Vater ein König.«
    »Und andererseits?«
    »Es waren Arianer! Sie hielt es einfach für unmoralisch, jemanden zu heiraten, der nicht den richtigen Glauben hat. So viel Strenge und Eifer findet man selten bei einer so jungen Person. Dazu die erstaunlichen Kenntnisse der christlichen Lehre …«
    »Warte mal, Avo, warte mal!«, unterbrach ihn Remigius aufgeregt. »Mir ist da ein famoser Gedanke gekommen … ein grandioser Gedanke … ein himmelstürmender Gedanke! Was meinst du … Würde die Schönheit auch einen nehmen, der nur eine der beiden Bedingungen erfüllt?«
    »Du willst damit sagen …«
    »Einen, der entweder König oder wahrer Christ ist?«
    »Ich kann dir nicht folgen, Remi, es liegt wohl am Wein …«
    »Den König haben wir nämlich schon!«
    »Wie? Einen König für …«
    »Für Chlotilde! Einen König, der einen

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