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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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vorangekommen?«
    Die im dröhnenden Bass gestellte Frage seines Mitheiligen aus Vienne erschreckte Remigius, und er musste sie kleinlaut verneinen.
    »Mit seiner Seele ist es schwierig«, bekannte er. »Und ihm Angst vor dem Jenseits einzureden, ist völlig unmöglich. Er glaubt an die alten Heidengötter … Wodan, Tiwaz, Donar. Er ist überzeugt, dass sie ihm zu seinen Erfolgen verhelfen. Ein Jenseits gibt es bei denen auch. Das nennt sich Walhall, ist eine Art Trinkhalle für die größten Raufbolde, wo geprahlt und gesoffen und zwischendurch immer mal wieder gerauft wird. Natürlich sieht er sich dort schon als Ehrengast. Er glaubt auch, von einem dieser Götzen abzustammen, einer Art Meeresungeheuer, halb Stier, halb Mensch. Wie soll man ihn packen? Ich weiß es nicht. Solange er Schlachten gewinnt und eine Stadt nach der andern erobert, ist nichts zu machen. Ihm seine Sieghelfer auszureden, ist zwecklos. Vielleicht könnte ihn eine Niederlage an ihnen irremachen. Daran habe ich schon gedacht – doch wann kommt sie? Er siegt und siegt …«
    »Für die Kirche ist jedenfalls nichts gewonnen, solange er nicht bekehrt ist«, befand Avitus. »Er kann sich schon morgen aus einem stillen Gönner in einen Nero oder Diocletian verwandeln.«
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst«, musste Remigius zugeben. »Aber was hilft das? Es ist ja auch schwierig, an ihn heranzukommen. Wenn er mich rufen lässt, will er gewöhnlich nur über profane Dinge reden … Rechtsfragen, Steuern, Verwaltungskram. Ein Gespräch über Religion mit ihm ist so gut wie unmöglich. Wie soll man missionieren, wenn man dazu keine Gelegenheit hat! Aber man darf natürlich nicht aufgeben. Man muss Geduld haben.«
    »Geduld, Geduld! Diese Geduld kann uns eines Tages teuer zu stehen kommen.« Befriedigt, weil nun auch sein berühmter Amtsbruder Schwäche zeigte, fuhr Avitus im Tonfall aufrichtiger Bekümmernis fort: »Wie viele Jahre kämpfe ich nun schon geduldig um unsern König Gundobad! Er empfängt mich, sooft ich mich bei ihm anmelden lasse, und wir reden auch über Religion. Erreicht habe ich trotzdem nichts. Er ist zäh, ein eingefleischter Arianer. Sooft ich zu ihm nach Lyon komme und mit der Lehre von der Dreieinigkeit anfange, sagt er: ›Was soll das? Was erzählst du mir da? Ich bin Christ. Predigst du mir schon wieder mehrere Götter? Für mich gibt es einen, den Allmächtigen, und dieser Jesus ist nur sein Prophet oder so etwas. Und unter einem Heiligen Geist kann ich mir überhaupt nichts vorstellen.‹ Da kannst du mit Engelszungen reden … er versteht einfach nicht!«
    »Immerhin lässt er euch gewähren. Keine Verbote, keine Verfolgungen. Solche Schrecken wie bei den Vandalen unter Hunerich und bei den Westgoten unter Eurich hat es bei euch nie gegeben.«
    »Das ist wahr, das gebe ich zu«, sagte Avitus, der inzwischen einen weiteren Becher geleert hatte und nun selber die Kanne nahm, um sich und Remigius nachzuschenken. »Natürlich ist das vor allem mein Verdienst, weil es mir immerhin gelungen ist, dem König trotz allem gewisse Zweifel einzuflößen. So will er es nicht unbedingt mit uns verderben, denn heimlich mag er sich wohl fragen, ob nicht vielleicht doch unser dreifaltiger Gott der wahre ist. Er lässt uns in Ruhe, er stört uns nicht. Sogar in seiner eigenen Familie gibt es ja echte Christen, nicht nur Häretiker. Seine Schwägerin Caratene zum Beispiel, die Witwe seines Bruders Chilperich … die ist gut katholisch. Auch ihre beiden Töchter gehören zu uns.«
    »Sieh an«, sagte Remigius, bei dem der Wein zu wirken begann. »Was du nicht sagst, das wusste ich gar nicht. Sehr gut, sehr erfreulich! Na, was willst du denn? Die Nichten dieses eingefleischten Arianers haben also den rechten Glauben.«
    »Ich habe sie selber unterrichtet«, erwiderte Avitus stolz. »Sie kennen meine Briefe wider Eutyches und Sabellius, in denen ich die beiden Naturen in Christo begründe, auswendig. Wann immer ich am Hofe von Genf zu tun habe, suche ich sie auf und vertiefe ihr Wissen. Sie sind sehr gelehrige Schülerinnen.«
    »Wie? Sie leben am Hof von Genf?«
    »Na, du weißt doch, dass Chilperich bei uns in Vienne residierte. Ich kannte ihn gut, er schätzte mich, wir standen auf sehr vertrautem Fuße. Als er nun plötzlich starb, rückte Gundobad gleich mit Militär ein und nahm die Stadt in Besitz, damit seine beiden anderen Brüder nicht zugriffen. Caratene – der Witwe also – passte das nicht, weil schon ihr Gatte seinen

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