DIE MEROWINGER: Familiengruft
Hahnenschrei aus.
Das erzeugte wieder Heiterkeit. Bobo hielt sich den gewaltigen Bauch, den der silberbeschlagene Gürtel noch gerade umspannte. Ansoald rückte an die Seite des Verspotteten, schlug ihm auf den Rücken und forderte ihn zum Mitlachen auf. Potitius schielte zum König hin, sah die Mundwinkel unter dessen Schnurrbart zucken und stimmte nun auch ein. Er schrie sogar mit, als die anderen ausgelassen »Ü – ü – ü – üüü!« machten.
Chlodwig tauschte einen Blick mit Remigius, und seine Handbewegung schien zu sagen: Was soll man tun? Sie brauchen nun mal ihren Spaß.
In diesem Augenblick kam ein alter Knecht aus dem Stall gelaufen und rief: »König, gleich ist es so weit! Es kommt! Es kommt!«
Chlodwig sprang augenblicklich auf und stapfte zum Stall. Die drei fränkischen Herren folgten ihm. Potitius zögerte einen Augenblick, sprang dann aber auf, verbeugte sich abermals gegen den Bischof und rannte ihnen nach. Er fürchtete wohl, vergessen zu werden.
Remigius fand, er habe schon oft genug Pferde zur Welt kommen sehen. Viel angenehmer war es, die milde Abendluft zu genießen. Er gab einem Knecht ein Zeichen, dass er ihm auch eine Kanne Bier bringen möge, und blieb unter der Buche zurück.
Er fragte sich, ob er an diesem Abend wohl noch Gelegenheit finden würde, seine Idee vorzutragen. Ärgerlich war es, die drei Vertrauten des Frankenherrschers hier anzutreffen, obwohl er natürlich damit rechnen musste. Alle drei waren fast täglich in Berny, anscheinend konnte Chlodwig nicht ohne ihre Gesellschaft auskommen.
Remigius überlegte, ob er von ihnen Unterstützung für sein Heiratsprojekt erwarten konnte. Was Bobo betraf, ganz gewiss nicht, der war ihm gram. Gerade hatte er wieder versucht, ihn mit einem aus der Luft gegriffenen Verdacht vor Chlodwig ins Zwielicht zu bringen. Bobo verzieh nicht, dass Remigius ihm die heißbegehrte dicke Schwester des Königs abspenstig gemacht hatte. Albofleda war so sehr unter den Einfluss des Bischofs geraten, dass sie sich längst hätte taufen lassen, wenn Chlodwig es nur erlaubt hätte. Heimlich betete sie zu Jesus, und ihr größter Wunsch war, dereinst eine Nonne zu werden. Nur ein Machtwort des Bruders konnte sie noch in ein Ehebett zwingen, zu Bobo oder einem anderen. Aber er sprach es nicht.
Remigius hegte die große Hoffnung, dass sie eines Tages doch noch getauft und die erste Äbtissin im Frankenreich würde. Den reichsten Mann im Land nach dem König, den Majordomus, hatte er sich allerdings ihretwegen zum Gegner gemacht.
Auch auf Ursio konnte er keine Hoffnungen setzen. Selbst wenn er sich zu christlicher Nachsicht ermahnte, war es ihm unmöglich, in dem kleinen Rheinfranken etwas anderes zu sehen als einen Ausbund von Gemeinheit und Bosheit. Manchmal glaubte er sogar (obwohl er sich hütete, es auszusprechen), es handele sich bei ihm um eine Inkarnation des Bösen selbst.
Schon Ursios äußere Erscheinung konnte solche Gedanken nähren. Nach jener Abstrafung durch die Männer von Soissons ging er gebückt und wacklig, die linke Hand war eine steife Kralle, und den Kopf mit dem alternden Kindergesicht und dem zahnlosen Mund hielt er schief, als sei er ununterbrochen auf der Lauer. Und das war er wohl auch, denn ausgerechnet ihm hatte Chlodwig besondere Vollmachten für die Bekämpfung des Verbrechens in dem rasch gewachsenen, noch ungefestigten, neuen Frankenreich übertragen.
Angesichts überhandnehmender Mordanschläge gegen die fränkischen Herren, lokaler Unruhen und Wegelagerei war dem König schließlich nichts anderes übriggeblieben. Unter Aufopferung einiger moderater Grundsätze hatte er diesen Skrupellosesten seiner Getreuen in das Amt des Bluthunds eingesetzt. Ursio verfügte über eine mehrhundertköpfige Sondertruppe, überall hatte er seine Spitzel und Schergen. Wer ihm in die Hände fiel, gelangte in die Hölle auf Erden, er musste die raffiniertesten Foltern erdulden, ehe der Galgen oder das Schwert ihn erlösten. Sein tiefer Hass auf die Galloromanen machte vor Unschuldigen nicht halt, doch hatte Remigius durch – meist von Frau Basina begleitete – Bittgänge zum König manchen aus seinen Kerkerlöchern herausholen können. Natürlich hatte er sich damit den mächtigen Zwerg nicht zum Freunde gemacht. Nein, auch von dieser Seite war für sein christliches Heiratsprojekt keine Beihilfe zu erwarten.
Anders stand es mit Ansoald. Durch eine Fügung teils ärgerlicher, teils günstiger Umstände war ihm der hübsche,
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