DIE MEROWINGER: Familiengruft
Missionar braucht!«
»Einen Missionar?«
»Sagtest du nicht, Avo, sie sei streng und eifrig, habe Kenntnisse der christlichen Lehre?«
»Ah, Remi, es dämmert …«
»Noch hat er nicht den richtigen Glauben, aber auch nicht den falschen! Demnach ist es nicht unmoralisch, wenn sie ihn heiratet!«
»Jetzt geht mir ein Licht auf …«
»Und es liegt nur an ihr, dass er auch die zweite Bedingung erfüllt. Sie macht es auf ihre Art, sie verführt ihn dazu!«
»Sie holt ihn ins irdische Paradies und lockt ihn von dort gewissermaßen ins himmlische!«
»Ein kleiner Umweg zur Seligkeit!«
»Ein Umweg durch das Ehegemach!«
Die beiden heiligen Bischöfe verstummten einen Augenblick. Sie blickten sich starr in die Augen, als erschreckte sie der grandiose Gedanke.
Dann klatschten sie gleichzeitig in die Hände und brachen in ein tolles Gelächter aus. Sie sprangen auf, sie umarmten, sie küssten sich. Sie fassten sich bei den Händen und tanzten übermütig umher.
Die Diener lugten durch die Löcher im Türvorhang und erschraken, als sie die beiden würdigen Oberhirten, den großen Dicken mit der gesträubten Mähne und den kleinen dünnen Glatzkopf so außer sich sahen.
Bis in den letzten Winkel des Bischofspalastes von Reims dröhnte der Bass des Avitus, schmetterte der Tenor des Remigius:
»Ein kleiner Umweg zur Seligkeit, ach,
führt manchmal durch das Ehegemach!«
Kapitel 5
Remigius verlor keine Zeit. Er setzte sich in seine Carruca und fuhr nach Soissons. Avitus begab sich derweil auf dem kürzesten Wege nach Genf, um seinerseits den Boden für das Heiratsprojekt zu bereiten.
Zu seiner Enttäuschung traf der Reimser Bischof Chlodwig jedoch in seiner Hauptstadt nicht an. Er erfuhr, der König befinde sich wieder einmal in Berny, einer schon von den Römern zur Festung umgebauten villa rustica, zehn Meilen westlich von Soissons.
Remigius wusste, dass es nicht sinnvoll war, gleich dorthin zu fahren. Er musste sich durch einen Boten anmelden lassen und abwarten, ob ihm zur Weiterfahrt nach Berny die Erlaubnis erteilt wurde.
So nahm er also bei seinem Bruder Principius, dem Bischof der Stadt, Quartier und richtete sich auf einige Tage Wartezeit ein.
Berny war neuerdings Chlodwigs Lieblingssitz.
Nachdem die größten Städte und Festungen nördlich der Loire erobert waren, hatte er sich nicht mehr selbst um die Einnahme der kleineren Plätze gekümmert, sondern diese mitunter noch langwierigen Unternehmungen Baddo und seinen Unterfeldherren überlassen.
Zunächst war er in den Palast von Soissons zurückgekehrt, um hier seine Verwundungen auszukurieren. Bei Ausritten in der Stadt und ihrer Umgebung war er dann aber durch Angriffe aus Hinterhalten noch zweimal leicht verletzt worden, so dass er es vorgezogen hatte, sich für den Rest des Genesungsprozesses auf das Land zurückzuziehen. Daraus war dann eine Gewohnheit geworden.
Wie die Waldburg bei Tournai war Berny ein sicheres, bequemes Refugium. In den anmutig auf einem flachen Hügel zwischen Eichen, Buchen und Fichten verstreuten Gebäuden der alten Villa wohnte es sich angenehmer als in dem weitläufigen, zugigen Stadtpalast. Es gab hier auch absolut einbruchsichere Kellerräume, zum Teil in den Felsen gehauen, und wie schon Syagrius ließ auch Chlodwig einen großen Teil seines (durch die Eroberungen der letzten Jahre immens angewachsenen) Schatzes hierherbringen.
Gräben, Mauern und zahlreiche Wachtürme umgaben den Platz und machten es leicht, ihn zu verteidigen. Nur von Chlodwig selbst ausgewählte Besucher durften das einzige Tor passieren.
Für die Gefolgschaft eines Königs, die sich langweilte, weil sie sich ausnahmsweise nicht im Krieg befand, gab es zahlreiche Möglichkeiten der Unterhaltung. Auf den Wiesen vor der Festung war viel Raum für Waffenspiele und andere sportliche Wettbewerbe. Für Ausritte waren breite Wege angelegt. Die Wälder der Umgebung waren wildreich und luden zur Jagd ein.
Chlodwig fühlte sich hier entschieden wohler als in seiner Hauptstadt. Die Kämpfe der letzten Jahre hatten ihn reichlich Kraft gekostet, und obwohl er erst sechsundzwanzig Jahre alt war, hatte seine Gesundheit schon schwer gelitten.
In jener Zeit war es noch üblich, dass die Könige selbst in vorderster Reihe in das Kampfgeschehen eingriffen, und er hatte sich selten geschont. Oft war er sogar unter den Ersten gewesen, die eine hartnäckig verteidigte Festungsmauer über eine Sturmleiter erstiegen oder die auf gefährlichen Schleichwegen in
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